Kehrtwende in Zürich
Das Kunsthaus will NS-Raubkunst identifizieren

Das Kunsthaus Zürich will neu mehr gegen NS-Raubkunst tun. Es baut die Provinienzforschung aus, um betroffene Werke zu identifizieren. Im Verdachtsfall will es auf Erben von jüdischen Sammlern während der NS-Zeit zugehen.
Publiziert: 14.03.2023 um 12:48 Uhr
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Aktualisiert: 14.03.2023 um 20:14 Uhr
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Ann Demeester, Kunsthaus-Direktorin, und Philipp Hildebrand, Präsident der Zürcher Kunstgesellschaft, stellten heute Dienstag vor den Medien die neue Strategie des Kunsthauses Zürich vor.
Foto: keystone-sda.ch

Das Kunsthaus Zürich ändert seinen Umgang mit Raubgütern. Es richtet seine Provenienzforschung neu am international etablierten Begriff «NS-verfolgungsbedingten Entzug» aus. Der nur in der Schweiz massgebende Begriff «Fluchtkunst» wird aufgegeben.

Seit dem Bergier-Bericht unterscheidet man in der Schweiz zwischen «Raubkunst», die vom NS-Regime verfolgten Menschen gestohlen wurde. Und «Fluchtkunst», die jüdische Besitzer in ihrer Not verkaufen mussten. Stuft ein Museum ein Werk als «Fluchtkunst» ein, gilt es nicht als «Raubkunst» – und wird nicht restituiert (Anm.d.Red.: Rückgabe von Kunstgütern). Auf dieser Basis wehrte sich das Kunsthaus Zürich zuletzt gegen Ansprüche von Erben. Auch im Fall der Bührle-Sammlung.

Neues Führungsduo stösst Kehrtwende an

Mit dem neuen Führungsduo Philipp Hildebrand (59) und Ann Demeester (48) ändert sich das. Hildebrand, Präsident der Zürcher Kunstgesellschaft – der Trägerverein des Kunsthauses – sagte heute vor den Medien: «Wir wollen neue Standards setzen.» Kunsthaus-Direktorin Demeester sagte, weshalb: «Als Museum tragen wir eine grosse gesellschaftliche Verantwortung.»

Deshalb nun eine neue Strategie. Das bestehende Team von Provenienzforschern will man ausbauen, für mindestens eine Million Franken. Dafür kommen das Bundesamt für Kultur und der Kanton Zürich auf.

Das Team widmet sich sodann ganz spezifisch 200 Werken aus der Kunsthaus-Sammlung, die vor 1945 entstanden sind und zwischen 1933 und 1945 ihren Besitzer gewechselt haben. Im Fokus: «NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut». Darunter fallen auch Werke, die während jener Zeit in der Schweiz verkauft wurden. Das ist kein Detail: Der Schweizer Kunstmarkt blühte ab den 1930er-Jahren.

Die Ergebnisse des Teams soll eine unabhängige Expertenkommission überprüfen. Gibt es Hinweise auf solche Güter, will man «proaktiv» handeln. Hildebrand sagte: «Wir werden auch auf Erben von uns aus zugehen.» Das Kunsthaus steht in Kontakt mit Erbenvertretern, lässt aber offen, mit wem. Fest steht, so Ann Demeester: «Eine faire Lösung zu finden, wird manchmal vielleicht schmerzhaft für das Kunsthaus sein.» Im Falle einer Restitution zum Beispiel.

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