«Früher hätte das zu Hungersnot geführt»
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Massive Schäden:Hagel zerstört Ernte von Bauer Viktor Hämmerli

Kälte, Nässe – und jetzt noch Hagel
«Früher hätte das zu Hungersnot geführt»

Innerhalb von Minuten hat das Unwetter fast die gesamte Ernte zerstört: Seine Salate und Fenchel wird Viktor Hämmerli nicht verkaufen können.
Publiziert: 04.07.2021 um 17:07 Uhr
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Die Felder von Gemüsebauer Viktor Hämmerli befanden sich im Zentrum der Gewitterzelle.
Foto: KARL-HEINZ HUG
Camilla Alabor

Eigentlich wäre jetzt, mitten im Sommer, Hauptsaison. Doch den Blumenkohl, den Fenchel und die Salate, die Viktor Hämmerli (50) im Frühling gepflanzt hat, kann er nicht ernten. Der Hagel der letzten Wochen hat seine Felder zerstört. Selbst jenes Gemüse, das noch zu retten wäre, wird Hämmerli kaum loswerden. «Die Konsumenten kaufen keinen Blumenkohl mit braunen Löchern drin», weiss der Gemüsebauer aus Erfahrung.

Dasselbe Bild zeigt sich bei den Kartoffeln. Der starke Regen hat die oberste Erdschicht weggewaschen, womit ein Teil der Knollen ans Tageslicht gelangte und damit ungeniessbar wurde. Selbst jene Kartoffeln, die Hämmerli im April gepflanzt hatte, werden kaum je von Menschen gegessen werden: Weil das Pflanzenkraut vom Hagel zerfetzt wurde, gibt es im Herbst wohl nur Kartöffelchen statt Kartoffeln zu ernten. «Wenn die Kartoffeln zu klein sind, nimmt sie mir der Handel nicht ab», erklärt der Bauer aus dem Berner Seeland. So geht ihm die doppelte Ernte verloren – die Lebensmittelverschwendung erreicht einen traurigen Höhepunkt.

Damit hadert auch Stefan Krähenbühl (43), Biobauer aus Greng FR am Murtensee. Er rechnet ebenfalls damit, einen Teil seiner Süsskartoffeln nicht verkaufen zu können, weil sie zu klein geraten werden – nicht einmal auf dem Wochenmarkt, wo die Käufer etwas toleranter sind als im Supermarkt. Krähenbühl weiss, wovon er spricht: Vom letzten Jahr hat er noch immer zu kleine Süsskartoffeln am Lager.

Konsumenten sollen auch B-Ware kaufen

Der Biobauer ruft deshalb die Konsumenten dazu auf, auch unperfektes Gemüse einzupacken: «Reduzieren wir die Lebensmittelverschwendung!» Zumal solche Schäden, wie sie derzeit im Berner Seeland vorkommen, «in früheren Zeiten glatt zu einer Hungersnot geführt hätten». Heutzutage dagegen werde einfach mehr Ware aus dem Ausland importiert.

Gemäss Zahlen der Schweizer Hagelversicherung haben die Unwetter der vergangenen zwei Wochen bei den Bauern zu Schäden in der Höhe von 44 Millionen Franken geführt, insgesamt sind 6000 Schadenmeldungen eingegangen. Im langjährigen Vergleich eine «aussergewöhnlich» hohe Menge, wie eine Sprecherin der Hagelversicherung bestätigt. Besonders stark betroffen waren neben dem Berner Seeland – von wo rund ein Drittel des Schweizer Gemüses herkommt – auch die Kantone Freiburg, Aargau, Luzern, Zürich und Waadt.

«Eine solche Zerstörung habe ich noch nie erlebt», stellt Bauer Hämmerli denn auch fest. Er rechnet mit einem Schaden von rund 300'000 Franken allein beim Gemüse. Auch das Gewächshaus wird er für geschätzte 150 '000 Franken reparieren müssen.

Ein Teil der Schäden wird übernommen

Immerhin: «Weil wir noch Gewächshäuser haben, ist nicht alles verloren.» Auch die Hagelversicherung dürfte zumindest einen Teil der Schäden übernehmen. Zudem konnte Hämmerli einen Teil der angestellten Erntehelfer in die Ferien schicken; für weitere wird er versuchen, beim Kanton eine Schlechtwetterentschädigung zu beantragen.

Ihm komme zugute, dass er seit 26 Jahren Gemüse produziere und damit ein wenig Geld auf der Seite habe. «Jene, die erst seit kurzem dabei sind, trifft es viel härter», sagt der Berner. Zumal dieses Jahr für die Bauern ohnehin ein aussergewöhnlich schlechtes war. Im April war es so kalt, dass Kirschen- und Aprikosenbaumblüten reihenweise erfroren; im Mai verunmöglichte der konstante Regen das rechtzeitige Aussäen von Jungpflanzen. Und nun Starkwind und Hagel, die Felder rasierten, Obstbäume knickten, ganze Ernten zerstörten.

Für Viktor Hämmerli bleibt das nicht ohne Folgen: Er wird Investitionen, die er für die nächste Zeit geplant hatte, auf später verschieben müssen. Zum Beispiel für das Umstellen auf eine fossilfreie Holzschnitzelheizung der Gewächshäuser. Oder den Kauf eines Roboterhackgeräts, um den Einsatz von Pestiziden zu reduzieren. «Das tut weh», sagt er, «denn beides wäre der Umwelt zugute gekommen.»

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