Natalie Urwyler (47) setzt sich im Berner Inselspital für besseren Mutterschutz ein – nach der Geburt ihres Kindes wird sie entlassen. Eine «Rachekündigung», wie das Berner Obergericht feststellt.
Nun geht Urwyler aufs Ganze: Sie verklagt das Inselspital auf das Salär, das ihr entgangen ist: Fünf Millionen Franken. Sollte sie gewinnen, wäre sie die erste Frau, die in der Schweiz ein Männergehalt erstritten hat. Am
31. August, könnte die Entscheidung fallen. Journalistin Charlotte Theile (33) hat Natalie Urwyler ein Jahr lang begleitet – entstanden ist der Podcast «Die Akte Urwyler – was kostet das Frau-Sein?». Mit Blick hat Theile über das Herzensprojekt gesprochen.
Blick: Wann haben Sie entschieden, dass Sie die Geschichte von Natalie Urwyler als Podcast erzählen wollen?
Charlotte Theile: Im Sommer 2020 habe ich von Natalie Urwylers Fall gehört: eine Ärztin, die ihren früheren Arbeitgeber, das Berner Inselspital, auf fünf Millionen Franken verklagt – eine unglaubliche Summe. Sie hätte Jahrzehnte für dieses Geld arbeiten müssen. Ich war sehr skeptisch, fand den Fall aber spannend. Also habe ich Natalie Urwyler persönlich getroffen. Da wurde mir bewusst, dass ihre Geschichte nicht nur für eine zerstörte Karriere steht. Diese Ärztin stellt ein ganzes System in Frage.
Wie lange haben Sie für die Recherchen gebraucht?
Nach dem ersten Treffen mit Frau Urwyler habe ich die Idee bei Elephant Stories eingebracht, einem Storytelling-Kollektiv, das ich im vergangenen Jahr gegründet habe. Das Team von Monika, Franziska und mir stand dann sehr schnell. Im Oktober 2020 war die erste Schlichtungsverhandlung, die wir mit dem Mikrofon begleitet haben. Dann gab es wegen Corona eine ziemlich lange Zeit, in der wenig passiert ist. Erst im Frühjahr 2021 konnten wir mit den Aufnahmen richtig loslegen.
Wie haben Sie Frau Urwyler während der Recherche wahrgenommen?
Sie ist extrem gut vorbereitet und weiss auf jede Frage sofort eine Antwort oder kann ein entsprechendes Dokument vorlegen. Als ich sie im Operationssaal begleitet habe, ist mir aufgefallen, dass sie sehr mitfühlend und höflich mit Patienten umgeht.
Was hat Sie an der Geschichte von Natalie Urwyler am meisten interessiert?
Ihr Anwalt hat uns erzählt, dass neun von zehn Frauen, die Diskriminierung am Arbeitsplatz erleben, ihre Klage wieder zurückziehen. Ein Prozess kann schnell 100’000 Franken kosten. Zudem müssen Frauen damit rechnen, von der Gegenpartei mit allen Mitteln bekämpft zu werden. Viele haben nicht die finanziellen und mentalen Ressourcen, um ein solches Verfahren durchzustehen.
Welche Bedeutung hat der Fall für den Mutterschutz in Spitälern und allgemein im Berufsalltag in der Schweiz?
Mir wurde klar, dass in diesem Bereich noch viel zu tun ist – aber auch, dass dieser Fall einiges bewegt hat. In der offiziellen Verlautbarung des Bundes zu 25 Jahren Gleichstellungsgesetz werden mutige Frauen, die sich vor Gericht wehren, ausdrücklich erwähnt.
Ist die Schweiz in Sachen Gleichstellung auf einem guten Weg?
Das würde ich so nicht sagen. Fälle wie den von Natalie Urwyler gibt es immer noch – nur wehren sich die wenigsten. In unserer dritten Episode haben wir uns diese Dunkelziffer angeschaut und eine Telefonnummer eingerichtet, auf der uns Leserinnen und Leser von ihren Diskriminierungserfahrungen am Arbeitsplatz berichten können. Sie lautet 076 266 8878.
Liebe Blick-Leserinnen, wurde Ihnen schon einmal unfairerweise gekündigt? Oder sind Sie am Arbeitsplatz diskriminiert oder wegen Ihres Geschlechts schlecht behandelt worden? Dann schicken Sie uns eine kurze Nachricht oder Sprachnachricht über Whatsapp (076 266 88 78) und werden Sie Teil der Podcast-Serie «Die Akte Urwlyer – Was kostet das Frau-Sein?».
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