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Nach dem Frauenstreik
Für die Frauenhasser wird es schwieriger

Wer sich Frauenhasser ausschliesslich als ungeschlachte Grobiane vorstellt, macht es sich zu leicht. Frauenhass zeigt sich oft erst dann, wenn sich eine Frau nicht an die Rolle als dankbare Dienerin hält.
Publiziert: 15.06.2019 um 23:53 Uhr
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Aktualisiert: 16.06.2019 um 11:50 Uhr
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Gieri Cavelty, Chefredaktor SonntagsBlick.
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Gieri CaveltyKolumnist SonntagsBlick

Auf den Tag genau vor fünf Jahren verlor Natalie Urwyler ihre Stelle am Berner Inselspital. Die habilitierte Ärztin hatte sich gemäss Kündigungsschreiben dreierlei Vergehen schuldig gemacht: 1. «Illoyalität», 2. «Unvermögen, sich in ein Team oder in hierarchische Strukturen einzufügen», 3. «Selbstüberschätzung».

Was war passiert? Urwyler hatte sich während Jahren für einen besseren Mutterschutz und für Gleichstellung am Inselspital eingesetzt. Als sie nach 16 Wochen Mutterschaftsurlaub selbst wieder in den Beruf einsteigen wollte,
untersagte ihr der Vorgesetzte Forschung und akademische Lehrtätigkeit. Die Medizinerin reichte Aufsichtsbeschwerde wegen Diskriminierung ein. Worauf sie entlassen wurde.

Natalie Urwyler focht die Kündigung an und war erfolgreich: Das Regionalgericht Bern-Mittelland, später das Berner Obergericht sprachen von einer «Rachekündigung». Das Inselspital müsse Urwyler weiterbeschäftigen.

Und was tat das Spital? Es stellte die Ärztin formell wieder an – untersagte ihr jedoch die Rückkehr an den Arbeitsplatz. Nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist, so teilte ihr die Klinikleitung im Weiteren mit, werde man sie dann ein für alle Mal entlassen.

Seit Anfang Mai ist Natalie Urwyler als Leitende Ärztin am Spital Sitten tätig. Sie sagt, es gehe ihr gut, das Geschehene habe sie verschmerzt.

Aber selbstverständlich ist nichts gut. Die Rufmordkampagne, die ebenso kostspieligen wie nervenaufreibenden Gerichtsprozesse – das alles war quälend. Zudem ist Ur­wylers wissenschaftliche Karriere zerstört.

Und: Nach wie vor missachtet das Inselspital ein rechtskräftiges Gerichtsurteil! Und: Indem es Natalie Urwyler die Rückkehr an ihren Arbeitsplatz verweigert, verstösst das grösste Krankenhaus des Landes gegen den Gleichstellungsartikel in unserer Bundesverfassung.

Der soziologische Begriff für Frauenhass lautet «Misogynie»; das griechische Wort «misos» bedeutet Hass, «gyné» Frau. In ihrem druckfrischen Buch «Down Girl. Die Logik der Misogynie» geht die amerikanische Philosophin Kate Manne der Misogynie auf den Grund.

Wer sich Frauenhasser ausschliesslich als ungeschlachte Grobiane vorstellt, macht es sich zu leicht. Kate Manne schreibt: «Misogyne können ihre Mütter lieben – ganz zu schweigen von ihren Schwestern, Töchtern, Ehefrauen, Freundinnen und Sekretärinnen. Sie müssen Frauen nicht generell hassen, vielmehr neigen sie dazu, Frauen zu hassen, die kein Blatt vor den Mund nehmen.»

Sobald sich eine Frau nicht an die Rolle als dankbare Dienerin hält, überkommt viele Männer der Drang – in den Worten von Kate Manne – diese «Frauen herunterzumachen und wieder auf ihren Platz zu verweisen».

Ihr Chef hat PD Dr. Natalie Urwyler gekündigt wegen 1. «Illoyalität», 2. «Unvermögen, sich in ein Team oder in hierarchische Strukturen einzufügen», 3. «Selbstüberschätzung». Man muss sich diese drei Punkte einmal auf der Zunge zergehen lassen. Man merkt dann rasch, worum es wirklich geht: Hier will ein Mann eine Frau  heruntermachen und wieder auf ihren Platz verweisen.

Vorgestern Freitag sind in der ganzen Schweiz Hunderttausende Frauen auf die Strasse gegangen. Sie haben aufbegehrt gegen die Rolle als dankbare Dienerin.

Für die Herren der Männerwelt wird es schwieriger, die Frauen auf ihren Platz zu verweisen.

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