Das hat der Frauenstreik schon bewirkt
Frauen marschieren in die Geschichtsbücher

Die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren fordert, dass Frauen in Lehrmitteln sichtbarer werden müssen. Die verantwortlichen Verlage suchen für Schulbücher aktiv nach weiblichen Protagonisten.
Publiziert: 15.06.2019 um 23:54 Uhr
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Aktualisiert: 24.01.2024 um 00:07 Uhr
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Hunderttausende Frauen forderten am Freitag in der ganzen Schweiz gleich lange Spiesse in Beruf, Gesellschaft und Privatleben.
Foto: Anja Wurm
Aline Wüst und
 Thomas Schlittler

Laut, unmissverständlich, farbenfroh: So forderten am Freitag Hunderttausende Frauen in der ganzen Schweiz gleich lange Spiesse in ­Beruf, Gesellschaft und ­Privatleben.

Der nationale Frauen­streik war ein Erfolg. Ob er in die Geschichts­bücher eingehen wird, lässt sich heute noch nicht abschätzen. Fest steht: Die aktuelle Diskus­sion um Gleichstellung hat einiges ausgelöst und macht auch vor den Schweizer Schulzimmern nicht halt. Denn in Schulbüchern sollen Protagonistinnen künftig stärker vertreten sein.

«Bis heute kommen in den Geschichtslehrmitteln kaum Frauen vor», kritisiert Helena Trachsel, Leiterin der Fachstelle für Gleichstellung des Kantons ­ Zürich. «Wir müssen die Geschichtsschreibung vervollständigen. Die weiblichen Vorbilder müssen genauso wie die männlichen im Schulunterricht ein ­Thema sein.»

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Vorschläge stammen von jungen Frauen

Dazu hat die Fachstelle eine unverbindliche Sammlung mit bedeutenden Frauen gestartet, die in Schul­bücher aufgenommen werden könnten. Sie umfasst mehr als 40 Namen und reicht von der letzten Äbtissin des Fraumünsterklosters in Zürich, Katharina von Zimmern (1478–1547), über die Pädagogin Anna Pestalozzi (1738–1815), die Autorin Annemarie Schwarzenbach (1908– 1942), die Frauenrechtlerin Iris von Roten (1917–1990) bis zu Hazel Brugger und «Tamynique».

Helena Trachsel: «Die Vorschläge stammen von jungen Frauen, mit denen wir bei unseren Besuchen der Zürcher Gymnasien ge­sprochen haben.» Schü­lerinnen äusserten immer wieder den gleichen Wunsch: Mehr weibliche Vorbilder in den ­Geschichts­- lehrmitteln.

Bei der Bildungsdirektion des Kantons Zürich stösst das Anliegen auf offene Ohren. «Wir sind stetig darum bemüht, Frauen sichtbarer zu machen – sei dies im Unterricht oder in den Lehrmitteln», schreibt das Amt auf Anfrage. Genderfragen und Diversität seien wichtige Aspekte bei der Erarbeitung von neuen Lehrmitteln.

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«Sichtbarkeit grosse Aufmerksamkeit» schenken

Nicht nur in Zürich sollen mehr Frauen in die Schul­bücher. Auch die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) beschäftigt sich mit dem Thema.

SonntagsBlick liegt ein Papier von Mitte Mai vor, in dem die EDK fordert, dass der «Sichtbarkeit der Frauen unter anderem auch in den Lehrmitteln grosse Aufmerksamkeit geschenkt werden muss».

Unterzeichnet ist das Schreiben von EDK-Präsidentin Silvia Steiner (61), gerichtet ist es an eine Gruppe von Bundesparlamentarierinnen sowie an verantwortliche Stellen der Sprachregionen und Kantone, die dort für Lehr­pläne und Lehrmittel zuständig sind.

Checkliste zu geschlechtergerechten Inhalten

Bei den wichtigsten Verlagen, welche Lehrmittel für die Schweizer Volksschule entwickeln, scheint die Botschaft angekommen zu sein.

Der Zuger Verlag Klett und Balmer etwa hat eine Check­liste zu geschlechtergerechten Inhalten entwickelt – mit Kriterien wie: «Üben Männer auch traditionelle ‹Frauenberufe› und Frauen auch tradi­tionelle ‹Männerberufe› aus?» Oder: «Wie ist das Verhältnis von weiblichen und männlichen Textfiguren?»

Für Geschichtslehrmittel sei die Darstellung weiblicher Beispielfiguren und Vorbilder eine zentrale Aufgabe. «Das ist aber nicht immer einfach, denn auch die bildliche Überlieferung ist voller männlicher Beispiele und Rollen­modelle», sagt Irene Schüpfer, ­Geschäftsführerin bei Klett und Balmer.

Aufwendigere Recherchen

Rabea Huber, Geschäfts­führerin des Lehrmittelverlags St.Gallen, kennt solche Schwierigkeiten ebenfalls: «Es ist aufwendiger, die ­herausragenden Frauen zu ­recherchieren, weil sie nicht so präsent sind wie die männ­lichen Pendants und vielleicht auch eher im Hintergrund ­tätig waren.»

Es gebe aber viele solcher Frauen und diese gehörten auch in Lehrmittel. Huber ­fordert deshalb: «Denkmuster müssen durchbrochen werden.»

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