Lieferengpässe, oder aber sie werden gar nicht mehr hergestellt: Wichtige Medikamente wie Schmerzmittel sind in der Schweiz knapp. Aktuell fehlen gemäss der «NZZ am Sonntag» 77 Präparate, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eigentlich als unentbehrlich eingestuft werden.
Innert fünf Jahren hat sich die Zahl nicht verfügbarer Arzneimittel damit verdoppelt. Pharmafirmen melden bis zu 200 Fälle von Versorgungsschwierigkeiten pro Jahr.
«Die Versorgungslage mit Heilmitteln verschlechtert sich seit Anfang Juni kontinuierlich», sagt Enea Martinelli (55), Chefapotheker der Berner Spitalgruppe FMI der «NZZ am Sonntag». So hätten Pharmaunternehmen seit April sieben gängige Medikament vom Markt genommen. Für Patienten, die auf diese Heilmittel angewiesen seien, beginne dann eine Odyssee.
Aufgegeben werden meist ältere Medikamente, die sich nicht mehr rechnen. Ein weiterer Teil der fehlenden Pillen und Präparate sei wegen Produktionsproblemen zeitweilig nicht lieferbar.
Umstellungen in der Therapie
Für Schwerkranke, die auf opiathaltige Schmerzmittel angewiesen sind, ist die Lage besonders prekär. Drei solche Pillen sind in der Schweiz zugelassen, seit Monaten ist jedoch keine davon verfügbar. Im März hat sich darum der Bund eingeschaltet und versorgt etwa Krebskranke seither aus Pflichtlagern. Dieser Notvorrat ist eigentlich nur für drei Monate angelegt. Das Lieferproblem dieser Schmerzmittel dürfte auf Produktionsprobleme zurückgehen.
Auch Suchtkliniken fehlt zurzeit das Präparat Antabus, das zur Alkohol-Entwöhnung eingesetzt wird. Patienten müssen deshalb ein anderes Mittel einnehmen – auch wenn sie mitten in der Therapie sind. Experten erwarten, dass das Medikament ab November wieder lieferbar sein wird.
Kindermedikamente sind ebenfalls vom Notstand betroffen. So ist auch Hustensirup für die Jüngsten nicht lieferbar. In Deutschland überbrücken Apotheken die Lieferprobleme, indem sie Hustensaft selbst herstellen.
Experten suchen Lösungen
Der Bund sieht sich durch die Häufung der Ausfälle zum Handeln gezwungen. Nun hat sich eine Expertengruppe mit Vertretern von Bund, Kantonen, der Pharmaindustrie und Fachleuten aus Spitälern die Arbeit aufgenommen. Sie wollen bis Ende Jahr Vorschläge ausarbeiten, wie die Versorgungssicherheit hergestellt werden kann. (sie)