Pflegefachfrau HF Ivana Alfarano (25) parkiert das Auto ums Eck bei ihrer Klientin in der Nähe vom Zürichsee. Es ist Mittag, das Thermometer in der Stadt Zürich ist bereits deutlich über die 30-Grad-Marke gestiegen. «Vielleicht gehen wir trotz der Hitze kurz spazieren, die Bewegung tut allen gut. Ich kenne einen guten Schattenplatz», sagt die stellvertretende Leiterin Pflegedienst bei der privaten Spitex Vitality.
Alfarano und ihre Klientin begrüssen sich herzlich. Ihr Verhältnis geht deutlich über die normale Pflegerin-Klientin-Beziehung hinaus. «Wir haben beide eine Vergangenheit in Spitälern. Wir haben uns viel zu erzählen», sagt die pensionierte OP-Schwester Dragica Kolovrat (70). Jetzt ist sie aber selber auf Hilfe angewiesen. «Nach den ganzen Operationen am Rücken käme ich nicht mehr allein zurecht», sagt sie.
Die Pensionärin geht an zwei Stöcken, sie trägt Stützstrümpfe. Als Erstes überprüft die Spitex-Expertin in der Wohnung den Allgemeinzustand der Kundin. Am Rücken kontrolliert sie eine grosse Wunde, der Verband muss täglich gewechselt werden. Die Schweizerin mit kroatischen Wurzeln hat erst vor 20 Tagen das Spital verlassen. Nur dank Spitex kann sie in ihren eigenen vier Wänden wohnen.
Wasser muss sichtbar sein
Wie ein Wirbelwind fegt Alfarano durch die Wohnung. In nullkommanix stellt sie ein volles Glas kühles Wasser in das Wohnzimmer, die Küche und das Schlafzimmer. Sie klopft die Kissen frisch auf, öffnet die Fenster. Auf der einen Seite der Wohnung schliesst sie die Rollladen, auf der anderen öffnet sie sie. «Haben Sie Lust auf einen Spaziergang?», fragt die Pflegefachfrau. Kolovrat hat. Allein kann die Rentnerin das Mehrfamilienhaus für das Gehtraining nicht mehr verlassen. Die Stufe vor der Haustür ist ein unüberwindbares Hindernis. «Bei der Hitze gehen wir eigentlich nur frühmorgens raus, aber bei dem Lüftchen geht es», sagt sie.
Seniorin bemerkt die Hitze nicht
Beim Ausgang steht ein Rollator bereit, zu zweit schaffen sie die gefährliche Treppenstufe mit eingebautem Stolper-Gitter. «Ich freue mich jeden Tag auf die Spitex. Sie pflegen mich nicht nur, sie sind auch eine tolle Begleitung», sagt Kolovrat. Wie heiss es ist, fällt der Seniorin kaum auf. Ivana Alfarano führt sie unauffällig an die schattigste Stelle auf dem Tessinerplatz und bietet ihr eine Flasche Wasser an.
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Die diplomierte Pflegefachfrau legt viel Wert auf Hitze-Prävention: «Wir stellen das Wasser gut sichtbar in der Wohnung auf. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Senioren nur bei visueller Erinnerung auch wirklich genug trinken. Dann achten wir auf geeignete, leichte Kleidung. Ganz wichtig: Hut und Sonnencreme für Spaziergänge an der Sonne.» Dabei müsse man Klienten ohne Angehörige intensiver vor den Gefahren der Hitze schützen. «Kunden mit Verwandten sind etwas weniger betreuungsintensiv», sagt die Pflegefachfrau.
Ivana Alfarano kann pro Tag bis zu zehn Kunden betreuen. Trotz der vielen Arbeit gefällt es ihr bei der Spitex. Die junge Mutter sagt: «Zum Glück haben wir bei uns etwas weniger drastischen Personalmangel als etwa in den Spitälern. So können wir die Patienten auch während einer Hitzewelle gut versorgen.»