Vor der Entscheidung, Angehörige Zuhause zu pflegen, müssen sich die Involvierten zahlreiche Fragen stellen. Marianne Pfister, Co-Geschäftsführerin von Spitex Schweiz, erklärt, wie man diese Aufgabe schaffen kann, welcher Faktoren man sich bewusst sein muss und wo man sich emotionale und finanzielle Unterstützung holen kann.
Welche Gründe sprechen dafür oder dagegen, ein Familienmitglied zu Hause zu pflegen?
«Zuerst muss man sich überlegen, ob man es zeitlich und emotional stemmen kann», sagt Marianne Pfister. Dabei gilt es zu beachten, ob es eine schwere oder leichte Erkrankung ist, ob eine längerfristige Pflege nötig ist und ob man eventuell den eigenen Job reduzieren muss. Der Grund, warum sich Familien dafür entscheiden, Angehörige selbst zu pflegen, ist einfach: «Man möchte die Liebsten am liebsten selbst umsorgen und ihnen etwas Gutes tun.» Dabei könne es je nach Pflege- oder Unterstützungsbedarf sinnvoller sein, einen professionellen Dienst in Anspruch zu nehmen, so Pfister.
Bekomme ich finanzielle Unterstützung?
«Es gibt die Möglichkeit, dass sich Angehörige der zu pflegenden Person von der Spitex anstellen lassen», sagt Pfister. Hier sei es jedoch wichtig zu beachten, dass die Spitex nur Leistungen der Angehörigen über die Krankenkasse abrechnen darf, die dem Bedarf entsprechen. «Das kann zum Beispiel zweimal duschen in der Woche sein.» Es dürfe nicht die falsche Vorstellung entstehen, dass man damit genug verdiene, um finanzielle Lohneinbussen ausgleichen zu können. Es sei wichtig, zwischen der Pflege (Leistungen, die auch die Spitex übernehmen würde) und der Betreuung (gemeinsame Zeit, Spaziergänge, Unterhaltungen usw.) zu unterscheiden – denn Letzteres kann in der Regel nicht verrechnet werden. Pfister empfiehlt darum, einen privaten Pflege- beziehungsweise Betreuungsvertrag zwischen der zu pflegenden Person und dem Angehörigen abzuschliessen. «Dann kann ein Stundenlohn festgelegt werden.» Ausserdem können eine Hilflosenentschädigung und eine Betreuungsgutschrift beantragt werden. Hier bietet Pro Senectute Unterstützung.
Wie kann ich richtiges Pflegen lernen?
Pfister empfiehlt in diesem Fall einen Kurs bei Pro Senectute oder einen Pflegehilfekurs zu besuchen, um die Grundkenntnisse zu erlernen. Letzterer dauert in der Regel drei Monate und bieten einen guten Einstieg in die Pflege. Anbieter ist zum Beispiel das Schweizerische Rote Kreuz.
Wie gerate ich als pflegende Person selbst nicht aus dem Gleichgewicht?
«Unterstützung holen, und zwar rechtzeitig», rät Pfister. Die eigene Freizeit und Erholungsphase sei wichtig, um ausgeglichen zu sein: «Keine Person sollte 24 Stunden lang Ansprechpartner sein.» Die Co-Geschäftsführerin von Spitex Schweiz betont, dass professionelle Fachpersonen pflegende Angehörige entlasten können. Sie können sich einfacher abgrenzen und wissen, wie wertvoll Pausen sein können. Eine weitere Möglichkeit sei es, die zu pflegende Person zeitweise über mehrere Tage fremdbetreuen zu lassen: «Es gibt beispielsweise Pflegeheime, die in sogenannten Ferienbetten pflegebedürftige Menschen für ein einige Tage aufnehmen und professionell versorgen.» Die Selbstfürsorge dürfe auf keinen Fall vergessen gehen: «Man muss sich immer bewusst sein, dass die Pflege eine sehr anspruchsvolle Arbeit ist.»
Wie gehe ich damit um, wenn es Zeit wird loszulassen und die zu pflegende Person stirbt?
So ein Verlust sei eine sehr anspruchsvolle Situation, erklärt Pfister. «Man hat seine wichtigste Aufgabe nicht mehr.» Um nicht in ein Loch zu fallen, sei es wichtig, noch ein Leben und eine Welt neben dem zu pflegenden Angehörigen zu haben. Soziale Kontakte oder die Arbeit können unglaublich wichtige Ressourcen sein. Darum betont Pfister, dass man den Mut haben sollte, sich Unterstützung zu holen, und sich mit der Aufgabe, einen Angehörigen zu pflegen, nicht überladen soll. Palliative Care sei eine wichtige Adresse, um sich in dieser schwierigen Zeit an die richtigen Fachpersonen wenden zu können, so Pfister.