Auf einen Blick
- SRF-Gesundheitssendung «Puls» diskutiert Homöopathie bei Morbus Crohn und anderen Erkrankungen
- Ärztin empfiehlt Homöopathie, Universitätsspital Zürich widerspricht bei Morbus-Crohn-Behandlung
- Über 600 Studien zur Homöopathie, Wirksamkeit über Placebo-Effekt bleibt umstritten
Zuschauer fragen und Experten antworten. Das ist das Chat-Konzept der SRF-Gesundheitssendung «Puls». Zur Sendung «Komplementärmedizin» trudelten zahlreiche Fragen ein, die von vier Ärzten ausführlich beantwortet wurden. Darunter auch eine Frage zur chronischen Darmerkrankung Morbus Crohn. «Gibt es etwas, das bei Morbus Crohn hilft? Mein Sohn hat diese chronische Krankheit», fragt ein Zuschauer.
Barbara Schillig, Hausärztin aus Schiers GR, antwortet wie folgt: «Bei Morbus Crohn hilft einerseits ein gesunder Lebensstil und eine angepasste Ernährung. Mit Homöopathie wäre eine Unterstützung/Begleitung möglich, und es können die schulmedizinischen Medikamente reduziert und evtl. sogar pausiert werden.»
Klingt erst mal gut. Mit den weissen Kügelchen kann die Darmentzündung so behandelt werden, dass es keine Medikamente mehr braucht. Aber stimmt das auch? Das Universitätsspital Zürich hat dazu eine andere Meinung. «Medikamente sind bei Morbus Crohn unverzichtbar», schreibt es auf seiner Homepage. Die Ernährung spielt zwar eine Rolle. Aber Homöopathie kommt bei der Therapie der Darmerkrankung nicht vor.
Homöopathie soll Nebenwirkungen einer Chemotherapie lindern
Auch sonst gibt Barbara Schillig zahlreiche Tipps, wie Homöopathie helfen könne. Bei ADHS, Heuschnupfen – und sogar Nebenwirkungen einer Chemotherapie könnten dank Homoöpathie gelindert werden.
Die Zweifel von kritischen Zuschauern weist Schillig zurück. «Wie erklären Sie es sich denn, dass es auch bei den Tieren oder sogar bei Pflanzen wirkt? Und es gibt über 600 fundierte, randomisierte Doppelblindstudien, die eine Wirkung über dem Placebo-Effekt zeigen», so die Homöopathie-Verfechterin. Sie verweist auf Studien, die auf der Seite der Universität Bern zu finden sind.
Studien beweisen genau das Gegenteil
«Es mag 600 Studien zur Homöopathie geben, nur ein kleiner Teil davon sind RCTs», sagt Thomas Rosemann vom Universitätsspital Zürich zu Blick. Die Abkürzung RCT steht für Randomized Controlled Trial, also randomisierte kontrollierte Studien. Natürlich kann es auch hier Fehler geben, betont der Medizin-Professor. Aber sie gelten laut Rosemann als «Goldstandard der klinischen Forschung».
Barbara Schillig verweist auf die Homepage des Instituts für Komplementäre und Integrative Medizin der Uni Bern und die dortigen Studien. Ironischerweise finden sich gerade dort die Belege gegen die Behauptungen von Schillig, wie Rosemann erklärt. Zum Beispiel eine Metaanalyse; also eine Analyse von mehreren Studien, die zu dem Schluss kommt, dass praktisch alle RCTs, die beweisen sollen, dass die Homöopathie über den Placebo-Effekt hinaus Wirkung zeigt, mangelhaft sind.
Uni Bern hält weiter an Homöopathie-Glauben fest
Darum erstaunt es auch den Medizin-Professor, dass die Homöopathen ausgerechnet diese Metaanalyse nutzen, um die Kraft der Homöopathie zu zeigen. Kurios: Die Autoren der Analyse warnen sogar selbst vor einer solchen Verwendung und Missinterpretation.
Rosemann zu Blick: «Wenn derartige Metaanalysen als ‹Beleg› der Wirksamkeit von Homöopathie verwendet werden, obwohl sie genau das Gegenteil belegen, dann findet mit dieser Aussage dieselbe Täuschung statt, wie sie der Homöopathie generell zugrunde liegt.» Der Zürcher Spitalprofessor ist zwar skeptisch, aber er hat keine Vorbehalte gegen jedwede Therapie an sich. «Sie muss einfach nur ihre Wirksamkeit belegen.»
Für die Universität Bern ist diese Wirksamkeit bereits belegt. «Zum aktuellen Stand der Forschung zur Homöopathie lässt sich zusammenfassend festhalten, dass die Ergebnisse der meisten Untersuchungen nicht mit der Placebo-Hypothese vereinbar sind. In einer grossen Anzahl von Experimenten zeigten homöopathische Präparate spezifische Wirkungen, die sich von Placebo unterschieden», sagt Sprecherin Nathalie Matter zu Blick. Sie verweist genau auf die Studien, die Rosemann für unbrauchbar oder zu wenig aussagekräftig hält.
SRF verteidigt Chat und verweist auf Sendung
Auf Nachfrage von Blick betont Barbara Schillig ihre Erfahrungen, die sie seit über 30 Jahren mit Homöopathie macht. Ausserdem gehe es ja darum, das Leiden der Patienten zu lindern. «Was kann denn falsch sein, wenn dies mit einem Mittel gelingt, das keine Nebenwirkungen, keine Interaktionen hat und erst noch billig ist?»
Eine kritische Experten-Stimme im Chat gegenüber der Homöopathie gibt es nicht. Im Gegenteil: Nicht nur Schillig, auch andere Mediziner sind von der Kraft der weissen Kügelchen überzeugt. Eine Einordnung seitens SRF gibt es nicht.
Auf Anfrage von Blick verweist das SRF auf die Sendung zum Chat. «Darin wird das Thema kritisch und aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet. So kommt etwa mit Thomas Rosemann auch ein renommierter Vertreter einer evidenzbasierten Medizin zu Wort, der eine Wirkung von Homöopathie über den Placebo-Effekt hinaus negiert», sagt eine SRF-Sprecherin zu Blick. Im Chat würde es ebenfalls Homöopathie-kritische Stimmen geben. Das stimmt, allerdings von Zuschauern – und eben nicht von den Experten. Das SRF vertrete keine Meinung, betont die Sprecherin, sondern lasse verschiedene Ansichten in die Berichterstattung einfliessen.
Aber warum gab es dann keine Ausgewogenheit im Chat? Auf Nachfrage von Blick weicht das SRF aus. «Mit dem Live-Chat ermöglicht SRF den Austausch zwischen Publikum und medizinischen Fachpersonen. Der Chat ist in erster Linie serviceorientiert und damit nahe an den Bedürfnissen unserer Nutzenden», sagt eine weitere SRF-Sprecherin zu Blick. Die Experten seien so ausgewählt, dass sie «sowohl eine schulmedizinische Ausbildung als auch eine komplementärmedizinische Weiterbildung aufweisen».