Die Pandemie sei schuld. Die Zeit ohne Auftritte und Engagements hat Hape Kerkeling dazu genutzt, um in seiner Vergangenheit zu graben. Aus Spass machte er einen DNA-Test – seine Neugier war entfacht. In seinem neuen Buch rät er, dass wir unsere Wurzeln ergründen sollten.
Herr Kerkeling, wie viel Zeit brauchen Sie, um morgens in die Gänge zu kommen?
Hape Kerkeling: Eine gute halbe Stunde. Also: etwas Zeit!
«Gebt mir etwas Zeit» heisst Ihr neues Buch. Nach dem letzten haben Sie sich Zeit gelassen, warum?
Ich schreibe dann, wenn ich denke, der Stoff ist reif. Das kann manchmal dauern. Es liegen gut drei Jahre zwischen «Pfoten vom Tisch», meinem amüsanten Katzenbuch, und diesem Werk.
Sie haben Ahnenforschung betrieben und herausgefunden, dass Sie ein Urenkel des britischen Königs Edward VII. sind. Veränderte das Ihren Blick auf sich selbst?
Vielleicht sollte ich sagen, dass ich mich kompletter fühle und mich besser verstehe. Das liegt aber nicht nur an Edward, sondern an allen neu dazugewonnenen Familienmitgliedern. Sie alle haben ihre Bedeutung und ihren Platz.
Hans-Peter «Hape» Kerkeling wurde 1964 in Recklinghausen (D) geboren. Als er acht Jahre alt war, beging seine Mutter Suizid; er wurde unter anderem von seiner Oma grossgezogen. Kerkeling ist Komiker (bekannt als Kunstfigur «Horst Schlämmer»), Autor, Moderator und Schauspieler. 2006 veröffentlichte er den Bestseller «Ich bin dann mal weg» über seine Pilgerreise auf dem Jakobsweg. Das aktuelle Buch «Gebt mir etwas Zeit» ist im Piper Verlag erschienen. Das Interview dazu wurde schriftlich geführt. Kerkeling lebt in Köln.
Hans-Peter «Hape» Kerkeling wurde 1964 in Recklinghausen (D) geboren. Als er acht Jahre alt war, beging seine Mutter Suizid; er wurde unter anderem von seiner Oma grossgezogen. Kerkeling ist Komiker (bekannt als Kunstfigur «Horst Schlämmer»), Autor, Moderator und Schauspieler. 2006 veröffentlichte er den Bestseller «Ich bin dann mal weg» über seine Pilgerreise auf dem Jakobsweg. Das aktuelle Buch «Gebt mir etwas Zeit» ist im Piper Verlag erschienen. Das Interview dazu wurde schriftlich geführt. Kerkeling lebt in Köln.
Vor 30 Jahren wurden Sie Kult, als Sie als Königin Beatrix der Niederlande verkleidet den deutschen Bundespräsidenten besuchen wollten. War der Sketch im Rückblick Zufall oder Fügung?
Es gibt keinen Zufall! Das wussten schon die Calvinisten im Goldenen Zeitalter Amsterdams, und von denen stamme ich nun einmal ab. Das lässt sich nicht leugnen.
Hape Kerkeling
Was hat Sie gerade jetzt dazu bewogen, Ihrer Familiengeschichte nachzugehen?
Immer schon hat mich die Geschichte von Familien fasziniert. Da lag es auf der Hand, dass ich mich während der Pandemie mit meiner Historie beschäftige.
Ihre Oma Bertha ist also das uneheliche Kind von König Edward VII. Hat sie Ihnen das je gesagt?
Manchmal hat Omas Schwester komische Andeutungen gemacht, als ich noch ein Kind war. Da hat sie meine Grossmutter in einem kleinen Streit manchmal mit dem Satz aufgezogen: ‹Deine Oma ist ja was Besseres! Nicht wahr, Bertha? Erzähl doch mal!› Das hat meine Grossmutter sehr gewurmt.
Verstehen Sie, dass Ihre Grossmutter geschwiegen hat?
Ich glaube, dass meine Grossmutter wusste, dass es das Klügste ist, in ihrem Leben darüber zu schweigen. Wie und wem gegenüber hätte sie es auch beweisen können? Man hätte sie aufgezogen, und in der Nazizeit wäre sie mit der Story wohl im Zuchthaus gelandet.
Was ziehen Sie nun aus der neuen Erkenntnis?
Edward VII. macht mein Leben jetzt noch ein bisschen schräger! Aber es gibt unglaublich viele Parallelen zwischen Edwards und meiner Familie. Das zu erkennen, ist heilsam. Vor allem verstehe ich meine Grossmutter rückblickend besser.
Glauben Sie, dass uns prägt, wer unsere Ahnen vor Hunderten von Jahren waren und was diese getan haben?
Wir kommen doch nicht aus dem Nichts. Jeder Einzelne entsteht aus jahrhundertealten Netzen, in die er sich schlussendlich einreiht. Die simple Tatsache, dass ich Kaffee liebe, ist meiner niederländischen DNA geschuldet! Jede Familie hat ein geheimes Motto.
Gentests liegen im Trend. Sie raten im Buch dazu, die eigenen Wurzeln zu ergründen. Kann das auch gefährlich sein, zum Beispiel Familien entzweien?
Das kommt auf die Ergebnisse an. Ich bin ein Freund von Klarheit und Transparenz. Insofern finde ich das eher gut.
1989 haben Sie Ihren Liebsten an Aids verloren. Zum ersten Mal schreiben Sie jetzt über Ihre Homosexualität. Ist es Zufall, dass Sie das jetzt tun?
Da ich mich intensiv mit meinen niederländischen Vorfahren in Amsterdam beschäftigt habe – die Familie Kerkeling taucht zum ersten Mal urkundlich um das Jahr 1580 in Amsterdam auf –, wollte ich diese grosse Liebesgeschichte von mir in Amsterdam nicht verschweigen. Sie gehört natürlich in diese Geschichte. Jetzt ist dafür der richtige Zeitpunkt.
Sie werden im Dezember 60 Jahre alt. Macht das Alter mutiger?
Alter schützt ja bekanntlich auch nicht vor Torheit. Ob es sich bei mir um Torheit oder Mut handelt, sollen andere entscheiden. Ich jedenfalls fühle mich ein bisschen wagemutiger.
Sie hielten vergangenes Jahr in einer Synagoge eine Rede gegen Antisemitismus und wurden angefeindet. Was war vorgefallen?
Was halt so vorfällt, wenn der Pöbel sich zu Wort meldet. Die Medien haben die Geschichte nach über einem Jahr ohne Not noch einmal hochgekocht. Mit dem Ergebnis, dass das Theater von vorne losgeht.
Braucht es als öffentliche Person in Deutschland heute Mut, um sich politisch zu äussern?
Ja, dazu gehört immer Mut.
Kann es passieren, dass Sie dereinst öffentlich nicht mehr Haltung zeigen werden?
Der Tag könnte kommen. Mag sein, dass er bald anbricht.