Im Corona-Winter starben mehr Menschen in Lawinen
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Grosse Schneemengen, instabile Verhältnisse – und viele Anfänger auf Skitouren
Im Corona-Winter starben mehr Menschen in Lawinen

In den Schweizer Bergen war diesen Winter viel los. Grosse Schneemassen begünstigten die Entstehung von Lawinen. Zudem waren wegen Corona viele Anfänger abseits der Pisten unterwegs.
Publiziert: 21.05.2021 um 01:47 Uhr
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Aktualisiert: 21.05.2021 um 06:36 Uhr
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Die jüngste Tragödie: Zwei Männer (†29 und †30) starben letzten Freitag bei der Besteigung des Piz Russein im Tödi-Gebirge zwischen Graubünden und Glarnerland. Die beiden Skitourengänger wurden von den Schneemassen rund 1000 Meter mitgeschleift.
Foto: Kantonspolizei Graubünden
Marco Latzer

Es geschah vor genau einer Woche am Fusse des Piz Russein im Kanton Graubünden: Drei Skitourengänger lösen beim Versuch, den 3600-Meter-Gipfel zu Fuss zu besteigen, eine Lawine aus. Zwei von ihnen (†29 und †30) werden rund 1000 Meter in die Tiefe geschleift und tödlich verletzt, ein Kamerad bleibt unverletzt und fassungslos zurück (Blick berichtete).

Es ist ein weiteres tragisches Ereignis in einem aussergewöhnlichen Schweizer Lawinenwinter. Denn mit bis dato 236 gemeldeten Lawinen, bei denen Personen erfasst wurden, hat das Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) in Davos GR etwa doppelt so viele Lawinenunfälle registriert wie üblich.

Seit dem Herbst sind 327 Personen in Lawinen geraten, 29 von ihnen sind dabei ums Leben gekommen. Die Anzahl der registrierten Toten liegt damit deutlich über derjenigen des Vorjahres (7) und auch klar über dem langjährigen Mittel (18).

Winter war überdurchschnittlich schneereich

Ob vor allem wegen Corona mehr Anfänger in Lawinen geraten sind, verrät die Statistik nicht. «Es gibt Winter, in denen auch ohne Corona ähnlich viele Opfer zu beklagen sind – zum Beispiel 2014/15, da waren es sogar 33 Tote», sagt Célia Lucas (31), Lawinenwarnerin und Prognostikerin beim SLF, zu Blick.

Solche Schwankungen seien über die Jahre nicht unüblich, zumal häufig auch Glück respektive Pech im Spiel seien, wenn es um das Überleben von Lawinenverunglückten gehe. Dass es auch insgesamt mehr Lawinen gegeben habe, lasse sich in erster Linie auf den überdurchschnittlich schneereichen Winter in Kombination mit einer instabilen Schneedecke zurückführen.

Auch jetzt noch, Mitte Mai, liegt in den Bergen vielerorts aussergewöhnlich viel Schnee. Ein Faktor, der auch beim neusten Unglück am Piz Russein eine Rolle gespielt haben könnte.

Schneebeschaffenheit begünstigt Entstehung von Lawinen

«Es war ein äusserst heikler Winter, was den Schneedeckenaufbau betrifft. Auch für geübte Skitourengänger war es schwierig, Schwachschichten zu erkennen, da diese sehr tief in der Schneedecke lagen», sagt Lucas. Dass zwei Drittel mehr Menschen als üblich verschüttet wurden, lasse sich daher primär auf die Verhältnisse zurückführen.

Zudem herrschte in diesem Winter deutlich häufiger Warnstufe 4 («grosse Gefahr»). «Es entspricht einem langjährigen Trend, dass im Gegensatz zu den Tourengängern die Variantenfahrer vor allem an Tagen mit höheren Gefahrenstufen verunglücken», so Célia Lucas.

Bergführer spüren Corona-Boom

Corona könnte indirekt im Hintergrund dennoch eine Rolle gespielt haben. «Wir haben deutlich mehr Skitourengänger- und fahrer gehabt in diesem Winter. Der Anstieg war wirklich markant», sagt Pierre Mathey vom Schweizer Bergführerverband (SBV).

«Zwar kann ein Unfall auch bei Profis passieren, aber manche der Neueinsteiger haben leider nicht genügend Know-how, um die Lawinengefahr richtig einzuschätzen», erklärt Mathey.

Corona habe den Trend zu Outdoor-Aktivitäten definitiv zusätzlich angetrieben. Insbesondere als diskutiert wurde, die Skigebiete geschlossen zu lassen, haben sich viele mit Langlauf- und Tourenski-Equipment ausgerüstet.

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