«Geht zurück, geht zurück!», schrie Mediensprecher Christian Gartmann, als sich am Donnerstag in Brienz GR grosse Gesteinsbrocken lösten und in Richtung Tal donnerten. Journalisten waren anlässlich einer Medienbegehung im von einem Bergsturz bedrohten 110-Seelen-Dorf Brienz GR erschienen und beobachteten fasziniert, wie die Gesteinsbrocken immer näher kamen.
Einer der Steine krachte in einen Baum, der regelrecht gespalten wurde. Schliesslich blieben die gefallenen Steine aber auf Distanz und bedrohten niemanden ernsthaft. «Dieser eine Stein hätte aber eine echte Gefahr darstellen können, wenn ihn der Baum nicht aufgehalten hätte», sagte Daniel Albertin, Gemeindepräsident von Albula GR, zu der auch Brienz gehört. «Wenn sie will, ist die Natur stärker als wir.»
Bereits seit Monaten bewegt sich die «Insel», wie der Abhang oberhalb des Dorfes genannt wird, immer schneller. Im bislang letzten Kapitel des «Brienzer Rutsch» wird nun die Evakuierung des Dorfes konkret. Am Donnerstagabend informierten die Behörden die Bevölkerung. Dabei wurde klar: Vermutlich dürfte es noch dieses Jahr zu einem Felssturz kommen.
«Evakuierungsplan akut»
Experte und Geologe Reto Thöny rechnet damit, dass die Wahrscheinlichkeit eines Felssturzes bei rund 60 Prozent liegt. Falls es zu grösseren Felsstürzen kommen sollte, sei es wahrscheinlich, dass der nördliche Dorfteil von Brienz erreicht wird.
Weil sich der Berg immer stärker bewegt, gibt es neu einen «Evakuierungsplan akut». Sollte dieser in Kraft treten, müssten die Brienzerinnen und Brienzer im Notfall ihre Häuser unverzüglich verlassen. Man gehe aber davon aus, dass die Bewohner später wieder in ihre Wohnungen zurückkehren können, sagte Pascal Porchet, Leiter des kantonalen Führungsstabs und zuständig für den Zivilschutz. Wie lange die Bewohner von Brienz wegbleiben müssten, ist aber völlig unklar.
Die anwesenden Einwohner blieben erstaunlich cool. Viele von ihnen haben in den vergangenen Jahren gelernt, mit dem Berg zu leben. Emotionale oder sogar wütende Voten gab es keine. Die meisten hoffen, dass sich die Lage am Berg wieder beruhigt.