Auf einen Blick
- Vergewaltigungsprozess in Plessur GR sorgte landesweit für Schlagzeilen
- Richter stellte extrem intime Fragen
- Urteil wird am 8. November schriftlich erwartet
Der Vergewaltigungsprozess vor dem Regionalgericht Plessur GR sorgte vergangene Woche landesweit für Schlagzeilen. Ein Bündner Richter soll Ende 2021 eine damals 24-jährige Praktikantin in seinem Büro vergewaltigt haben. Die beiden Prozesstage brachten viele Details ans Tageslicht. Für das mutmassliche Opfer wurde die Befragung durch den Richter teilweise zum Spiessrutenlauf. Für eine spezielle Frage fordern Berufskollegen jetzt Konsequenzen.
«Sie sind ja nicht unkräftig gebaut», sagte der Richter am ersten Prozesstag zu der jungen Frau. «Hätten Sie die Beine nicht besser zusammenpressen müssen?» Wie die «Südostschweiz» berichtet, fordert der Churer Jurist Jean-Pierre Menge deshalb den sofortigen Rücktritt des Regionalrichters.
Rote Linie überschritten
«Eine solche Frage muss als grober Schlag ins Gesicht des Opfers bezeichnet werden», schreibt er in einem Leserbrief an die Zeitung. Das neue Sexualstrafrecht sieht vor, dass auch Fälle, in denen das Opfer vor Angst erstarrt, als Vergewaltigung gelten. Der Richter habe mit seiner Frage eine rote Linie überschritten. Auch ein Zürcher Richter habe sich direkt nach dem Prozess per Mail bei der Zeitung gemeldet und deutliche Worte gefunden: «Diese saublöde Frage lässt auf ein fertiges Vorurteil schliessen. Ich hätte noch am gleichen Tag den Antrag auf Ausschluss des Richters beantragt.»
Blick hatte nach dem ersten Prozesstag ebenfalls die intimen Fragen des Richtergremiums hinterfragt. Markus Oertle (64), Rechtsanwalt bei der Kanzlei Landmann & Partner in Zürich, erklärte im Interview: «Man kann den Kern der Sache nicht allgemein abhandeln. Das Gericht muss live, aus eigener Wahrnehmung, die wichtigsten Zeugen einvernehmen.»
Urteil erfolgt schriftlich
Dafür brauche es detaillierte, intime Fragen. «Es ist allen klar, dass das eine grosse Belastung für das Opfer ist.» Trotzdem sei klar: Auch der Beschuldigte muss bei einem solchen Prozess vor einem falschen Urteil geschützt werden.
Die Verteidigung des angeklagten Ex-Verwaltungsrichters fordert einen Freispruch. Das schriftliche Urteil wird für den 8. November erwartet. Solange will sich der Regionalrichter nicht mit «Nebenschauplätzen» beschäftigen, wie er auf Blick-Anfrage schreibt. «Wir befinden uns in der Beratungsphase und ich konzentriere mich auf das Wesentliche», führt er aus – aber: «Zu einem späteren Zeitpunkt werde ich mich damit beschäftigen.»