Journalisten sind Diven. Sie wollen gelobt werden. Und wenn das niemand tut, so klopfen sie sich selber auf die Schulter. Genau das werde ich jetzt tun.
Die Geschichte geht so: Eine 66-jährige Leserin aus dem Kanton Schaffhausen erzählte mir Ende letzten Jahres, wie die Beraterin der Kantonalbank ihrem Mann, 61 Jahre alt, zum Kauf von Fondsanteilen bewegen wollte. Sie empfahl ihm einen ausgewogenen Portfoliofonds. Ausgewogen heisst, der Fonds soll je zur Hälfte mit Aktien und mit Obligationen bestückt werden.
Die Frau wollte von mir eine Einschätzung. Was ich ihr darauf geschrieben habe, ist im Gopfried Stutz vom 2. Januar 2022 nachzulesen: «Wir haben rekordhohe Aktienkurse und extrem tiefe Zinsen. Das ist für Anfänger kein gutes Umfeld, um einzusteigen und erste Erfahrungen zu sammeln.»
Hat mir jemand für diesen Tipp gratuliert? Es wäre mir entgangen. Die Frau schrieb mir damals, sie hätten aufgrund meiner Antwort auf den Kauf der Fondsanteile verzichtet. Heute dürfte sie erst recht dankbar sein: Der von der Bank empfohlene Portfoliofonds hat seither über zwölf Prozent verloren.
Würde ich die Bankberaterin mit diesem Fall konfrontieren, würde sie darauf hinweisen, dass Wertschriftenanlagen immer langfristig seien. Bei reinen Aktienanlagen spricht man von zehn Jahren; bei gemischten Anlagen vielleicht von fünf. Es sei noch zu früh, um Bilanz zu ziehen, würde sie mir sagen. Recht hat sie: Womöglich wird der Kurs der Fondsanteile in fünf Jahren um 20 Prozent oder noch höher liegen als Anfang Jahr.
Doch was nützt das einem Rentnerpaar, das des Geldanlegens völlig unkundig ist? Ich bin mir ziemlich sicher, es hätte dieser Tage kaum gut geschlafen, hätte es Anfang Jahr sein Erspartes in Anlagefonds investiert. Und ja: Vielleicht wird auch in fünf Jahren der Wert der Fondsanteile tiefer liegen als zu jenem Zeitpunkt, als die Bankberaterin ihrem Kunden zum Kauf der Fondsanteile geraten hatte.
So komme ich zu einer Kernaussage, die ich in diesen Spalten nicht zum ersten Mal formuliere: Das Wohlbefinden ist wichtiger als die Rendite.
Nun ist es natürlich ein Unterschied, ob eine ältere Person von sich aus die Bankberaterin aufsucht oder von ihr ungefragt kontaktiert wird. Häufig und so auch im Fall des Paares aus Schaffhausen war es die Bankberaterin – treffender wäre Fondsverkäuferin –, die den Mann kontaktierte und ihn zum Kauf von Anlagefonds ermunterte, nachdem ihm von einer Lebensversicherung ein Haufen Geld aufs Konto gespült worden war.
Ich würde nie ungefragt einer älteren Person raten, mit ihrem Ersparten Wertschriften zu kaufen, wenn sie sich bisher nie mit Geldanlagen befasst hat und mit deren Risiken nicht vertraut ist.
Zum Schluss noch mein Lieblingswitz: «Ist jetzt all mein Geld weg?», fragt die verdutzte Bankkundin. «Nein, nicht doch», erwidert der Banker, «das Geld ist nicht weg. Es gehört nur jemand anderem.»