Gopfried Stutz
Wir haben eine Korrektur, keinen Crash

Die relevanten Börsenbarometer notieren um die 20 Prozent unter ihren Rekordständen von Anfang Jahr.
Publiziert: 02.07.2022 um 12:54 Uhr
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Aktualisiert: 02.07.2022 um 21:09 Uhr
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Aktienkurse brechen immer wieder mal ein.
Foto: imago images/blickwinkel
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Claude ChatelainKolumnist und Wirtschafts-Publizist

«Sie heissen Jeremy Grantham, Jim Rogers, Mark Mobius oder Nouriel Roubini. Sie alle sind weltberühmte Börsen-Gurus, und sie sagen düstere (Börsen-)Zeiten voraus.»

Wo war dieser Satz zu lesen? Natürlich im Gopfried Stutz. Am 26. September 2021 zitierte ich einen Artikel aus der «Handelszeitung». Sie schrieb damals: «Die Warner warnen wieder. Kaum etwas boomt mehr als Crash-Szenarien. Die Untergangspropheten sind in Hochform.»

Ja, diese unsäglichen Untergangspropheten. Sie werden stets etwas belächelt. Sie prophezeien etwas, das eigentlich jeder auch nur halbwegs interessierte Börsenbeobachter auch weiss: dass nämlich die Aktienkurse immer wieder mal einbrechen. Doch das wirklich Relevante wissen auch die gewieftesten Gurus nicht: wann der Einbruch stattfinden wird.

Nun könnte man wohlwollend einräumen, die eingangs genannten Grössen hätten mit ihren Warnungen ins Schwarze getroffen. Haben sie das? Nein. Zumindest noch nicht.

Erstens: Die relevanten Börsenbarometer wie der amerikanische S&P 500, der Euro Stoxx 50 oder auch der Swiss Market Index (SMI) notieren um die 20 Prozent unter ihren Rekordständen von Anfang Jahr. Das ist höchstens eine gröbere Korrektur, kein Crash.

Zweitens muss man auch wissen, wie die Untergangspropheten ihre Szenarien begründeten. Es sind die wiederkehrenden Argumente: überhitzter Immobilienmarkt, verfehlte Notenbankpolitik, Inflationsgefahr, rekordhohe Verschuldung. Doch hat eines dieser Orakel den Krieg in der Ukraine vorausgesehen? Es wäre mir entgangen.

Der Krieg allein wird zwar kaum für den derzeitigen Kurszerfall gesorgt haben. Nicht umsonst heisst es: «Kaufe, wenn die Kanonen donnern.» Aber niemand wird bestreiten, dass mit dem Einmarsch der Russen in ihr Nachbarland verschärfte Wirtschaftssanktionen und damit höhere Energiepreise einhergingen.

Dies wiederum führt zur bedrohlichen Inflation, vor der man schon längst warnte. Doch das Preisniveau steigt nicht nur wegen höherer Energiepreise oder gar einer überhitzten Konjunktur, sondern weil die Notenbanken seit über zehn Jahren die Märkte mit Geld überfluten. Eine toxische Gemengelage ist entstanden.

So haben andere Warner, die ebenfalls über mehrere Jahre belächelt wurden, inzwischen recht bekommen: die Warner vor Inflationsgefahren. Ernst Baltensperger ist emeritierter Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bern. «Die Zentralbanken haben während Jahren jede Warnung vor zukünftigen Inflationsgefahren in den Wind geschlagen und eine Geldpolitik betrieben, die eine nie gesehene Liquiditätsausweitung verursacht hat», schrieb er Mitte Juni in der «NZZ». Sie hätten damit ein Umfeld geschaffen, das für die Entstehung einer Inflationsspirale äusserst günstig ist und deren Bekämpfung äusserst schwierig macht.

Ja, Baltensperger warnte schon früh vor dieser Gefahr. Er war nicht der Einzige.

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