Olympia-Bronzemedaille, Gold an den Europameisterschaften, ehemaliger Weltranglisten-Erster, mehrmaliger Schweizer Meister. Springreiter Pius Schwizer (61) ist eine lebende Legende. Seine Erfolgsgeschichte hält an: Im August dürfte er an den Olympischen Spielen in Paris teilnehmen. Wie Blick-Recherchen jetzt zeigen, sammelte der Solothurner aber in den letzten Jahren nicht nur Siege und Preisgelder – sondern auch Betreibungen.
Auf dem Rücken seiner Pferde liefert er noch immer ab: Anfang Juni holt er den 4. Platz beim Grossen Preis in La Baule (F), einem renommierten Turnier. Gläubiger werfen Schwizer aber vor, auf ihrem Rücken zu machen, was er wolle. So betreiben ihn etwa Pferdehändler oder Pferdebesitzer, auf deren Rösser Schwizer Turniere ritt, auf über 600'000 Franken.
Unter den Gläubigern findet sich auch das Ehepaar Brigitte (74) und Kurt Schreier (77) aus Vitznau LU. «Wir gaben Pius ein Darlehen von 500'000 Franken für einen Pferdehof in Oensingen im Kanton Solothurn», sagt die Seniorin zu Blick.
«Wir hatten ihm vertraut»
Die Pferdeliebhaber begehen einen Fehler: «Pius unterschrieb den Darlehensvertrag nicht. Er fand immer eine Ausrede. Wir hatten ihm vertraut und gedacht, das ist ja Pius Schwizer, da wird schon nichts schieflaufen.» Eine Zahlung über 500’000 Franken von Juli 2022 an Schwizer können die Schreiers aber beweisen. Blick liegt der Bankbeleg vor. Der Deal: Die geschuldete Summe reduziert sich sukzessive, indem Schwizer die Pferde der Schreiers beherbergt, pflegt und reitet.
Zunächst sind die Schreiers zufrieden. «Doch er kümmerte sich immer weniger um unsere Pferde», sagt Brigitte Schreier. Die Pferdebesitzer ziehen ihre Pferde vom Hof in Oensingen ab und platzieren sie woanders. Es ist Januar dieses Jahres – die Rückzahlung des Darlehens muss neu geregelt werden.
Brigitte Schreier schlägt Schwizer vor: mindestens 10'000 Franken monatlich. «Ansonsten werden wir die Betreibung einleiten», heisst es in einer Whatsapp-Nachricht an Schwizer. Der Chatverlauf liegt Blick vor. Der Springreiter antwortet Schreier, er habe «bis heute noch alles beglichen, wo klar war, dass es so ist». Und meint: «Falsche Beschuldigungen muss auch ich nicht bezahlen.»
Schreiers beharren auf dem Geld. Und betreiben Schwizer. Sie fordern 380'000 Franken. Der Betreibungsauszug mit dem entsprechenden Eintrag liegt Blick vor. Brigitte Schreier sagt: «Bisher hat er keinen Rappen bezahlt.» Und: «Er verwendete das Darlehen gar nicht, um den Hof zu kaufen. Sondern zu einem anderen Zweck. Für welchen, weiss ich nicht.» Blick nahm Kontakt mit der Erbengemeinschaft auf, auf die der Hof eingetragen ist: «Die Besitzverhältnisse sind klar. Der Hof gehört uns.»
Verhandlung wegen Olympia verschoben
Im Juli hätte eine Schlichtungsverhandlung zum Geld-Zoff zwischen Schreiers und Schwizer stattfinden sollen. Sie findet nicht statt. Ein Anwalt von Schwizer hatte verlangt, den Termin zu verschieben – auf nach dem 14. August. Also nach Olympia. Die Anwältin der Schreiers betont aber: «Das Verfahren bleibt rechtshängig.»
Die erwähnten 380'000 Franken sind nicht die einzige Forderung der Schreiers: «Wir warten auf weitere 80'000 Franken von Pius. Denn er gewann mit unseren Pferden Preisgelder bei Turnieren. Uns als Besitzer steht ein Anteil zu», sagt Brigitte Schreier. Im Reitsport ist es üblich, dass dekorierte Springreiter wie Pius Schwizer Pferde anderer Besitzer reiten. So ritt Schwizer etwa mit dem Schreier-Pferd Castiel im letzten September in Ascona. Dem Betreibungsauszug ist zu entnehmen, dass wegen der 80'000 Franken Mitte Mai die Betreibung eingeleitet wurde.
Überdies haben die Schreiers weiteren Ärger mit Pius Schwizer. Brigitte Schreier erzählt: «Nach einem Hinweis stiess ich im Februar auf ein Facebook-Inserat von unserem Pferd Castiel.» Schreier forscht nach. «Pius steckte dahinter. Er hat ohne unser Wissen unser Pferd zum Verkauf angepriesen.» Schreier sagt klar: «Wir wollten dieses Pferd nicht verkaufen und gaben Pius auch keinen Auftrag. Zudem hatten wir Castiel zu diesem Zeitpunkt schon vom Hof in Oensingen abgezogen.» Heisst: «Das Pferd war gar nicht mehr bei Pius.»
Für Brigitte Schreier ist klar: «Pius hat uns gruusig über den Tisch gezogen. Hätten wir gewusst, was er wirklich für ein Typ ist, hätten wir ihm niemals ein Darlehen von einer halben Million gegeben.»
«Mühsam, wenn ich meinem Geld nachrennen muss»
Wie die Schreiers ist auch Joe B.* (61) wütend auf Pius Schwizer. Der Pferdebesitzer, der in der Innerschweiz wohnt, und der Reitstar waren jahrelang Geschäftspartner im Pferdesport. Und wie die Schreiers zankt sich auch B. mit Schwizer um Geld. «Pius gewann Turnier-Preisgelder mit einem meiner Pferde. Also musste er mir meinen Anteil des Preisgeldes abgeben.» Selbes Spiel wie bei Schreiers.
Der Zoff eskaliert: B. betreibt Schwizer. «Es ist einfach mühsam, wenn ich meinem Geld nachrennen muss», sagt Joe B. genervt. Schliesslich landet der Fall vor Gericht. Das Amtsgericht entscheidet, dass Schwizer B. eine hohe Summe nebst Zins abdrücken muss. Der Reiter geht in Berufung. Das Obergericht schmettert diese aber ab, Schwizer unterliegt erneut.
Immerhin, denkt sich B. «Pius zahlt mir nun seine Schulden in Raten zurück.» Aber: «Sollte er einmal nicht zahlen, kann ich sofort die Pfändung einleiten.» Das Fazit von B. über den Springreiter: «Pius Schwizer ist ein guter Reiter. Aber ich verstehe nicht, wieso der Schweizer Reitsportverband nichts gegen ihn unternimmt.» Die Forderung von Joe B. an den Verband: «Ich hoffe, sie ziehen Pius aus dem Verkehr und nominieren ihn nicht für Olympia.»
Blick hat Pius Schwizer mit den Vorwürfen konfrontiert. Schwizers Anwalt Matthias Schönbächler antwortet Blick, geht aber nicht auf die konkreten Fragen ein. «Das Betreibungswesen ist zu Recht so ausgestaltet, dass ohne weiteres eine Betreibung angehoben werden kann. Gerade im geschäftlichen Umfeld ohne zwischengeschaltete Unternehmenskonstrukte können Streitigkeiten entstehen. Für solche suchen und finden wir Lösungen.» Pius Schwizer ergänzt, dass es sich bei den Anschuldigungen um eine «Hetzjagd» handle. Und: «Frau Schreier bekommt wie abgemacht bis Oktober ihr Geld zurück.»
* Name geändert
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