Es war eine Fundamentalkritik an seinem geliebten Reitsport, die Pius Schwizer (61) nicht auf sich sitzen lassen will. Obwohl der Weltklasse-Springreiter nicht direkt kritisiert wurde, wehrt sich der Solothurner jetzt stellvertretend gegen die Aussagen von Nachwuchs-Reiterin Anna Siegmann (19) im Blick. Sie habe bei der harten Arbeit für einen Pferdemillionär die Freude am Leben verloren, meinte Siegmann. Die Aussagen sorgten in der Szene für Wirbel, aber auch für Unverständnis. Auch bei Schwizer.
Der Olympia-Medaillengewinner schildert, dass der Weg an die Weltspitze nicht ohne Entbehrungen zurückzulegen sei. Der Umgang mit vermögenden Pferdeeigentümern sei fixer Teil des harten Business. «Ohne diese Besitzer sind wir nur Fussgänger», sagt Schwizer.
Vom Bauernsohn zum Spitzenreiter
Der Olympia- und Weltcup-Final-Teilnehmer hat es einst vom Bauernsohn zum Spitzenreiter geschafft. Schwizer weiss deshalb bestens, was es braucht, damit dies Nachwuchs-Reitern gelingt. «Mut, Talent und Fleiss», sagt der 61-Jährige, «denn trotz Talent muss man bereit sein, fleissig zu sein. Es ist ein knochenharter Weg.» Schwizer verhehlt nicht, dass es schwieriger geworden ist, sich international in der Elite zu etablieren.
Doch ebenso wenig redet er um den heissen Brei, wenn es darum geht, dass viele junge Reiter den Beruf des Pferdesportlers verklären oder deren Eltern denken, es sei ein Streichelzoo. «Man darf kein Träumer sein!», betont der Routinier. «Viel zu viele träumen. Bei jungen Reitern kaschieren gute Pferde noch deren reiterliche Mängel. Die zeigen sich dann in höheren Prüfungen.»
Kein einfacher Weg
Schwizers Weg war einst kein einfacher, auch so mancher Besitzer war es nicht, damit müsse man klarkommen. «Es gibt viele, die direkt sind. Man muss sich auch mal etwas sagen lassen, einstecken und auch Dreck fressen können. Das haben wir alle.» Mentale Stärke sei erforderlich, um sich durchzubeissen. Der Oensinger vertritt ganz klar die Haltung, dass man jedem die knallharte Realität vor Augen halten muss, was Leistungen und Zukunft betrifft.
Im letzten Jahrzehnt hat mit Martin Fuchs (31) ein Reiter den ganz grossen Sprung geschafft – vom Junioren-EM-Medaillen-Gewinner zum Elite-Europameister (2019). «Es braucht Selbstbewusstsein und Vertrauen. Das ist nicht angeboren, daran arbeitet man jahrelang», sagt Fuchs, der seinen Weg auch als hart beschreibt, obwohl er aus einer bekannten Pferdefamilie stammt. «Im Parcours ist man auf sich alleine gestellt, da ist das Umfeld egal.» 46 Turnierwochen im Jahr, kaum freie Tage, und das schon als Nachwuchsreiter. Er war sich dessen bewusst, darum sagt er: «Ja, es ist sehr anstrengend, aber dafür ist es ein schöner Beruf, der viel zurückgibt.»
Bei den aufstrebenden Reitern Bryan Balsiger (26) und Edouard Schmitz (24) fehlt noch etwas die Konstanz. Balsiger musste im letzten Herbst zudem einen Pferdewechsel verkraften, der Neuenburger Olivier de Coulon stellt seine besten Pferde nun Schwizer zur Verfügung. Der Routinier peilt heuer nach London 2012 und Peking 2008 seine dritte Olympia-Teilnahme an.