Nicht mal zwei Prozent. So niedrig ist der Frauenanteil in der Schweizer Armee. Kein Wunder: Einfach ist die Welt für Soldatinnen nicht. Wie es ihnen ergeht, davon berichten fünf Frauen in verschiedenen Positionen in der Armee gegenüber «NZZ Folio». Darunter Janina L.* (24).
Sie will Karriere bei der Armee machen – trotz des Verhaltens gegenüber Frauen. Eigentlich mag die Berufsoffizier-Kandidatin das direkte, raue Klima. Dennoch: Der Sexismus ist ein Problem. Das bekam die junge Frau schon in der RS in Thun zu spüren. Wegen Angina lag sie auf der Krankenstation. Später bekam sie mit, dass das Gerücht rumging, dass L. abgetrieben hätte.
Dass sie mit 24 Jahren schon Hauptmann ist, gab ebenfalls zu reden. Der Vorwurf: Sie habe sich hochgeschlafen. «Früher habe ich wegen solcher Gerüchte nächtelang nicht geschlafen, heute ignoriere ich sie einfach», sagt die 24-Jährige weiter zu «NZZ Folio». Dann wird sie noch deutlicher: «Wenn eine Frau im Militär einigermassen gut aussieht, ist sie eine Matratze oder eine Nutte. Stämmige Frauen hingegen sind Kampflesben.» Zumindest würden so viele Männer in der Armee über Frauen denken, die gut aussehen.
54 Verfahren wegen «Verletzung der sexuellen Integrität»
L. lässt sich nichts gefallen. Bekommt sie mit, dass ein dummer Spruch gefallen ist, schreitet sie ein. «Ich habe einen Job für L., er ist unter meinem Bürotisch», sagte mal jemand zu ihr. Die Reaktion: «Zusammenschiss». Dazu auch weitere Schritte. Geschont werden will sie nicht. Aber mit Respekt behandelt werden.
Laut «NZZ Folio» hat sich die Militärjustiz in den letzten fünf Jahren 54 Mal mit «Verletzung der sexuellen Integrität» beschäftigt. Wie die Stimmung generell unter den wenigen Soldatinnen ist, weiss die Armee nicht. Es gab keine interne Umfrage.
Die Erfahrungen, die L. beschreibt, sind kein Einzelfall. Andere Frauen in der Armee berichten gegenüber «NZZ Folio» beispielsweise von sexistischen Postkarten. Oder eine 21-Jährige berichtet davon, dass Soldaten beim Schnupftabak konsumieren immer einen sexistischen Spruch raushauen.
Sie lache dann immer mit. Aber nicht, weil sie die Sprüche so einfallsreich und lustig findet. «Dem Frieden zuliebe und damit man akzeptiert wird.» Die 21-Jährige bemüht sich, um dazuzugehören. Doch das sei verdammt schwer. Das ernüchternde Fazit: «Es ist so anstrengend, sich immer integrieren zu wollen und dann zu merken: Du bist kein Teil davon.»
Umfrage innerhalb der Armee und Massnahmen angekündigt
Auf die Erlebnisse der Frauen angesprochen, stellt Armeesprecher Stefan Hofer auf Anfrage von Blick klar: «Die Armeeführung toleriert keine Fälle von Diskriminierung, Sexismus, Belästigung oder anderen Formen der Verletzung der menschlichen Würde und will, dass konsequent dagegen vorgegangen und nicht weggeschaut wird. Sie verpflichtet sich zu einer Kultur der Offenheit und der Inklusion innerhalb der Armee.»
Um die Situation für Frauen in der Armee nachhaltig zu verbessern, hat die Fachstelle «Frauen in der Armee und Diversity» im letzten Jahr eine Befragung «zu Diskriminierung und sexualisierter Gewalt in der Schweizer Armee aufgrund des Geschlechts und/oder der sexuellen Orientierung durchgeführt, die Ergebnisse analysiert und in einem Bericht ausgewertet», so Hofer weiter. Die Ergebnisse werden diesen Herbst publiziert. Der Armeesprecher weiter: «Die Studie ist Teil des Aktionsplans der Gleichstellungsstrategie 2030 und die Studienergebnisse bilden die Grundlage für weitere Massnahmen im Bereich der Prävention.» Entsprechende Massnahmen werden aus dieser Studie entwickelt.
Videobotschaft vom Chef der Armee
Schon jetzt steht aber im Dienstreglement der Armee: «Niemand darf insbesondere wegen des Geschlechts, der ethnischen oder nationalen Zugehörigkeit, der Sprache, des Alters, der Religion, der sexuellen Orientierung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der sozialen Herkunft, des Lebensstils oder einer Behinderung nachteilig behandelt werden». Und das gilt für alle Angehörigen der Armee. Egal welchen Ranges, stellt Hofer klar.
Dies verpflichtet alle Angehörigen der Armee, von der Stufe Soldaten und Soldatinnen bis zu Offizierinnen und Offizieren. Gleichzeitig wurde die Fachstelle «Frauen in der Armee» und Diversity» sowie die unabhängige Vertrauensstelle für Angehörige der Armee im Jahr 2022 geschaffen. Darin enthalten: eine Melde- und Beratungsstelle für Fälle von Diskriminierung, Sexismus oder Belästigung zur Verfügung.
Ausserdem haben der Chef der Armee Thomas Süssli (57) und sein Stellvertreter Hans-Peter Walser (60) letztes Jahr eine Videobotschaft aufgenommen, die sich direkt an den Armeekader richtet. Darin forderten die beiden eine Nulltoleranz gegenüber Diskriminierung, Sexismus, Belästigung und Verletzung der menschlichen Würde zu leisten. Armeesprecher Hofer zu Blick: «Es geht um verpflichtende Vorgaben, die für alle ohne Ausnahme gelten.»
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