Forscherin findet neue Schweizer Fischarten
Was schwimmt da in unseren Seen?

Die Biologin Bárbara Calegari und ihr Team haben zwei neue Schweizer Fische entdeckt – über ihre Namen entscheidet die Bevölkerung. Die Freude kommt aber mit einem Wermutstropfen.
Publiziert: 15.02.2025 um 18:47 Uhr
|
Aktualisiert: 17.02.2025 um 10:36 Uhr
1/6
Biologin Bárbara Calegari liebt die Feldarbeit in Flüssen und Seen.
Foto: zvg

Auf einen Blick

  • Zwei neue Fischarten der Gattung Barbatula in Schweizer Flüssen und Seen entdeckt
  • Eine der beiden Arten wird bereits als gefährdet eingeschätzt
  • Über 1100 Menschen beteiligen sich an Umfrage zur Namensgebung der Fische
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Hannes Boos
Hannes BoosRedaktor

«Die Leute denken oft, dass es hierzulande keine unbekannten Tierarten mehr gibt», sagt Biologin Bárbara Calegari. Diese Woche haben sie und ihre Mitforscher den Fund von gleich zwei neuen Schweizer Fischen bekannt gemacht. Beide gehören zur Gattung der Bartgrundeln (Barbatula), unterscheiden sich in Gestalt, Lebensweise und Genom jedoch erheblich voneinander. So ist die eine mit ihren kräftigen Brustflossen perfekt ans Schwimmen in lebhaften Flüssen und Bächen angepasst, während die andere mit ihren auffällig grossen Augen unter der Oberfläche von Seen anzutreffen ist.

Das Hochgefühl kommt für Calegari allerdings mit einem Wermutstropfen: Frisch entdeckt, stellt sich die in den Seen lebende Bartgrundel bereits als gefährdet heraus. Damit ist sie nicht allein. Laut Bund gelten derzeit nur 14 der über 70 einheimischen Fischarten nicht als bedroht. Schuld daran sind neben der Wasserverschmutzung unter anderem die Verbauung der Ufer von Flüssen und Seen. Calegari ist überzeugt: Um die Tiere effektiv zu schützen, müsse man sie auch kennen.

Dieser Aufgabe stellt sie sich im Rahmen von LANAT-3, einem gemeinsamen Projekt der Universität Bern, der Wyss Academy for Nature, des Naturhistorischen Museums Bern und des Wasserforschungsinstituts Eawag, mit der Zielsetzung, das Wissen über die Biodiversität in Schweizer Gewässern zu vertiefen. Längerfristig sollen die gesammelten Erkenntnisse dann dazu beitragen, geschädigte Naturgewässer wieder aufzupäppeln, um so die Artenvielfalt zu stärken.

Den Wissensstand zu erweitern, ist bitternötig: Die entsprechenden Klassifikationen stammen teils noch aus dem 16. Jahrhundert, sagt Calegari. Nach auffälligen Funden untersucht sie deswegen alte Forschungsliteratur danach, ob der Fisch bereits einmal als separate Art beschrieben wurde. Herausfordernd sei an der europäischen Tierwelt nämlich, dass verschiedene Spezies einander auf den ersten Blick oft stark ähneln und irrtümlicherweise unter einem Namen zusammengefasst wurden. Nach Einschätzung von Calegari könnten uns etwa 20 Prozent aller Schweizer Fischarten noch unbekannt sein.

Beim Namen darf jeder mitentscheiden

Die beiden Bartgrundeln sind nicht Calegaris erste Entdeckungen. Bevor sie vor vier Jahren zu Forschungszwecken in die Schweiz kam, hat die Brasilianerin in Südamerika bereits 15 neue Fischarten identifiziert.

Ein persönliches Highlight ist für die Biologin stets die Namensgebung. «Eine Spezies nach mir selbst zu benennen, käme mir aber arrogant vor.» Stattdessen lässt sie sich von physischen Merkmalen oder ihrem Lebensraum inspirieren, benannte etwa einen Fisch nach den Arachás, einem ausgestorbenen indigenen Volk, dessen ehemalige Stammesgebiete er bewohnt.

Online-Umfrage

Für die Bartgrundeln traf das Forscherteam jedoch nur eine Vorauswahl. Die endgültige Entscheidung kommt per Online-Umfrage zustande. Indem man die Bevölkerung miteinbezieht, soll das Interesse an der Wissenschaft gestärkt und zum Schutz der Biodiversität motiviert werden. An der Umfrage nahmen bisher über 1100 Menschen teil.

Calegari und ihr Team haben bereits einen weiteren überraschenden Fund gemacht. Es handelt sich um eine noch namenlose Groppen-Art, die in Schweizer Seen in bis zu 200 Metern Tiefe trotz geringen Temperaturen und wenig Nahrung überleben kann. Um auf unbekanntes Leben zu treffen, muss man also nicht zum Mars reisen; der Walen- oder Zürichsee reichen völlig.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?