Flüchtlinge hadern mit Corona
«Als ob ich im Stau stehe»

Der Deutschkurs findet online statt, das Praktikum im Restaurant fällt aus: Flüchtlingen fällt es in der Corona-Krise schwer, Anschluss zu finden.
Publiziert: 21.03.2021 um 10:57 Uhr
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Aktualisiert: 01.04.2021 um 16:26 Uhr
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Der Deutschkurs, den Zoleikha Mohammadi besucht, findet derzeit online statt.
Foto: Thomas Meier
Camilla Alabor

Alles ist neu, anders, unbekannt: In einem fremden Dorf, einer fremden Stadt anzukommen, ist nicht ganz einfach. Erst recht, wenn gerade eine globale Pandemie herrscht. Das bekommen auch die Flüchtlinge in der Schweiz zu spüren.

So finden Deutschkurse – ausser für Anfänger – meist nur online statt. Gruppenarbeiten, Pausengespräche mit Klassenkameraden, eine Nachfrage bei der Lehrerin; all das gibt es im Fernunterricht nicht. Stattdessen verbringen die Flüchtlinge mehr Zeit zuhause. Die Folge: Sie lernen weniger gut Deutsch als sonst. Das stellt Kurt Zubler fest, Co-Präsident der kantonalen Integrationsdelegierten. Was man während des Lockdowns in der Primarschule gesehen habe, gelte auch für Flüchtlinge, sagt Zubler: «Die Schere zwischen jenen, die schnell lernen und jenen, die den Anschluss verlieren, wird grösser.»

Die Pandemie erschwert auch die Arbeitssuche. Branchen wie Gastronomie oder Reinigung, in denen es viele niederschwellige Jobs gibt, trifft die Corona-Krise besonders stark. Doch geschlossene Restaurants bieten keine Praktika an. Selbst Altersheime, die auf Pflegekräfte angewiesen sind, geben sich aufgrund der Risiken für die Bewohner teils zurückhaltend. «Oft heisst es, man könne derzeit keine Schnuppertage ermöglichen», sagt Zubler. Im Gewerbe sei diese Haltung zwar weniger ausgeprägt. «Aber auch von dort kommt von einigen Betrieben die Rückmeldung, es sei ihnen zu heikel, für zwei Wochen eine fremde Person im Betrieb zu haben.»

Dabei seien Praktika und Schnuppertage eine Möglichkeit, sich beim Arbeitgeber zu beweisen, sagt Julian Altorfer, Job-Coach bei der Asylorganisation Zürich. «Flüchtlinge können in ihren Bewerbungsunterlagen oft keine Arbeitszeugnisse und anerkannten Diplome vorweisen. Deshalb ist der direkte Kontakt zu den Arbeitgebern für sie besonders wichtig.»

Wie aber erleben die Flüchtlinge selber die aktuelle Situation? Drei von ihnen erzählen.

Tsering Tramotsang 33, Schaffhausen

«Der Lockdown vor einem Jahr war für mich sehr mühsam. Neben der Arbeit musste ich mich um das Homeschooling meiner Tochter kümmern, die ich alleine erziehe. Weil meine PC-Kenntnisse nicht sehr gut sind, musste ich bei jedem kleinsten Problem meine Freundinnen um Hilfe fragen. Später konnte ich meine Tochter dann eine Weile zu den Schwiegereltern schicken, das war eine grosse Erleichterung. Im Moment renne ich zwischen zuhause, der Schule und meiner Arbeit hin und her; für mehr reicht es nicht. Ich habe nicht einmal mehr die Zeit, mich zu schminken. Dafür gefällt mir die Arbeit im Altersheim sehr. Ich mag meine lieben Bewohner. Schon in Tibet habe ich meine Urgrossmutter und meine Grossmutter gepflegt. Ich mag es, älteren Menschen und ihren Geschichten zuzuhören. Mit meinen Bewohnern spreche ich über alles. Und sie nehmen sich Zeit, mir etwas zu erklären, wenn ich wegen der Sprache etwas nicht verstehe. Andauernd Abstand zu halten und die Leute nicht berühren dürfen, fällt mir hingegen schwer. Meine Hoffnung für dieses Jahr? Ich bin sehr froh, wenn die Pandemie vorbei ist. Und ich freue mich, wenn ich im Mai die LAP hinter mir habe!»

Thomas Meier

«Der Lockdown vor einem Jahr war für mich sehr mühsam. Neben der Arbeit musste ich mich um das Homeschooling meiner Tochter kümmern, die ich alleine erziehe. Weil meine PC-Kenntnisse nicht sehr gut sind, musste ich bei jedem kleinsten Problem meine Freundinnen um Hilfe fragen. Später konnte ich meine Tochter dann eine Weile zu den Schwiegereltern schicken, das war eine grosse Erleichterung. Im Moment renne ich zwischen zuhause, der Schule und meiner Arbeit hin und her; für mehr reicht es nicht. Ich habe nicht einmal mehr die Zeit, mich zu schminken. Dafür gefällt mir die Arbeit im Altersheim sehr. Ich mag meine lieben Bewohner. Schon in Tibet habe ich meine Urgrossmutter und meine Grossmutter gepflegt. Ich mag es, älteren Menschen und ihren Geschichten zuzuhören. Mit meinen Bewohnern spreche ich über alles. Und sie nehmen sich Zeit, mir etwas zu erklären, wenn ich wegen der Sprache etwas nicht verstehe. Andauernd Abstand zu halten und die Leute nicht berühren dürfen, fällt mir hingegen schwer. Meine Hoffnung für dieses Jahr? Ich bin sehr froh, wenn die Pandemie vorbei ist. Und ich freue mich, wenn ich im Mai die LAP hinter mir habe!»

Zoleikha Mohammadi, 35, Schaffhausen

«Ich bin auf der Suche nach einer Lehrstelle als Pharma-Assistentin. Doch weil die Apotheken derzeit sehr viel zu tun haben, ist es schwierig, nur schon einen Schnuppertag machen zu können. Nach vielen Absagen hat es nun geklappt. Im Juni kann ich in einer Apotheke in Schaffhausen zwei Tage schnuppern und danach hoffentlich eine Vorlehre beginnen. Im Moment mache ich einen Deutschkurs, der wegen Corona online stattfindet. Das ist ein bisschen schwierig – mir fehlen die Gespräche mit den Klassenkameraden und wir verlieren viel Zeit wegen technischer Probleme. An der Pandemie kann ich deshalb nichts Gutes finden. Immer zuhause zu sein, ist nicht mein Ding. Bevor ich im August 2020 meine Aufenthaltsbewilligung erhielt, habe ich oft als Freiwillige gearbeitet: in Kitas, Fitnessstudios oder als Hilfsköchin im städtischen Haus der Kulturen. Jetzt fühle ich mich manchmal einsam. Traurig macht mich auch die Situation meiner Familie: Meine Schwester ist gerade zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Der Grund? Sie ist Kurdischlehrerin. Das reicht im Iran, um ins Gefängnis zu kommen.»

Thomas Meier

«Ich bin auf der Suche nach einer Lehrstelle als Pharma-Assistentin. Doch weil die Apotheken derzeit sehr viel zu tun haben, ist es schwierig, nur schon einen Schnuppertag machen zu können. Nach vielen Absagen hat es nun geklappt. Im Juni kann ich in einer Apotheke in Schaffhausen zwei Tage schnuppern und danach hoffentlich eine Vorlehre beginnen. Im Moment mache ich einen Deutschkurs, der wegen Corona online stattfindet. Das ist ein bisschen schwierig – mir fehlen die Gespräche mit den Klassenkameraden und wir verlieren viel Zeit wegen technischer Probleme. An der Pandemie kann ich deshalb nichts Gutes finden. Immer zuhause zu sein, ist nicht mein Ding. Bevor ich im August 2020 meine Aufenthaltsbewilligung erhielt, habe ich oft als Freiwillige gearbeitet: in Kitas, Fitnessstudios oder als Hilfsköchin im städtischen Haus der Kulturen. Jetzt fühle ich mich manchmal einsam. Traurig macht mich auch die Situation meiner Familie: Meine Schwester ist gerade zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Der Grund? Sie ist Kurdischlehrerin. Das reicht im Iran, um ins Gefängnis zu kommen.»

Soudeh Tarami 36, Richterswil ZH

«Im Iran habe ich Englische Literatur studiert und war als Unternehmerin im Import/Export tätig. In der Schweiz habe ich mich für viele Stellen im Bereich Aussenhandel und Spedition beworben, wurde aber nie zu einem Gespräch eingeladen. Die Handels- und Zollgesetze hierzulande sind natürlich ganz anders als im Iran, aber ich dachte, ich könnte das während der Arbeit lernen. Nun bewerbe ich mich um Lehrstellen als Zeichnerin in Architekturbüros und als Laborantin. Bisher habe ich nur Absagen erhalten. Ob es wegen meines Alters ist, wegen meines Deutsch oder wegen Corona – ich weiss es nicht. Auch das Praktikum, das ich in einem Architekturbüro hätte machen sollen, fiel wegen Corona ins Wasser: Da alle im Homeoffice sind, meinte der Chef, ein Praktikum sei derzeit nicht sehr sinnvoll. Gegenwärtig besteht mein Alltag daraus, Bewerbungen zu schreiben und Absagen zu erhalten. Es fühlt sich an, als ob ich im Stau stehen würde: Ich kann weder vor noch zurück. Manchmal verliere ich die Motivation, aber ich bin eine positive Person. Wenn sich jemand etwas wünscht, schafft er das auch. Meine Hoffnung ist es, dass ich nach dem B2-Sprachkurs eine Ausbildung, ein Praktikum oder eine Lehre beginnen kann. Alles Gute kommt danach.»

Thomas Meier

«Im Iran habe ich Englische Literatur studiert und war als Unternehmerin im Import/Export tätig. In der Schweiz habe ich mich für viele Stellen im Bereich Aussenhandel und Spedition beworben, wurde aber nie zu einem Gespräch eingeladen. Die Handels- und Zollgesetze hierzulande sind natürlich ganz anders als im Iran, aber ich dachte, ich könnte das während der Arbeit lernen. Nun bewerbe ich mich um Lehrstellen als Zeichnerin in Architekturbüros und als Laborantin. Bisher habe ich nur Absagen erhalten. Ob es wegen meines Alters ist, wegen meines Deutsch oder wegen Corona – ich weiss es nicht. Auch das Praktikum, das ich in einem Architekturbüro hätte machen sollen, fiel wegen Corona ins Wasser: Da alle im Homeoffice sind, meinte der Chef, ein Praktikum sei derzeit nicht sehr sinnvoll. Gegenwärtig besteht mein Alltag daraus, Bewerbungen zu schreiben und Absagen zu erhalten. Es fühlt sich an, als ob ich im Stau stehen würde: Ich kann weder vor noch zurück. Manchmal verliere ich die Motivation, aber ich bin eine positive Person. Wenn sich jemand etwas wünscht, schafft er das auch. Meine Hoffnung ist es, dass ich nach dem B2-Sprachkurs eine Ausbildung, ein Praktikum oder eine Lehre beginnen kann. Alles Gute kommt danach.»

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