Thomas Bucheli (66) war sichtlich aufgewühlt. Zweimal verhaspelte sich der Redaktionsleiter von SRF Meteo, als er am Mittwoch zum Publikum sprach – und erklärte, er weise Vorwürfe der «Weltwoche» «vehement zurück».
Das rechtskonservative Magazin hatte der Wettersendung vor einer Woche unterstellt, Temperaturen im Ausland aus klimapolitischen Gründen absichtlich zu verfälschen. Prognosen lägen um bis zu acht Grad über dem tatsächlichen Wert.
SVP-Nationalrat Thomas Matter (57) nahm das Thema dankbar auf. «Wenn man SRF Meteo in einem Wahljahr für die ganze Klimapanik missbraucht, ist das dicke Post», sagte er in der Sendung «Sonntalk». Plötzlich waren die falschen Vorhersagen in allen Medien ein Thema.
Am Mittwoch widersprach Bucheli dem Vorwurf der politischen Einflussnahme. «Wir machen keine Prognosen, die wir beeinflussen.» Der Wetterchef räumte jedoch ein, der Algorithmus habe während der sommerlichen Hitzewelle Temperaturprognosen für das Ausland tatsächlich zu hoch berechnet: «Das tut uns ausserordentlich leid, und wir entschuldigen uns in aller Form für den Fehler.»
Nach der Ursache wurde schon länger gesucht
Mithilfe einer Grafik versuchte Bucheli zu erklären, wo das Problem liegt. Die Fehlprognosen beträfen nur Ortschaften im Ausland, wo man sich auf andere Modelle abstütze als in der Schweiz. «Wir werden dafür sorgen, dass der Fehler korrigiert wird.» Der oberste SRF-Wetterfrosch rechtfertigt sich wegen eines kritischen Medienartikels vor seinem Millionenpublikum – was geschieht da gerade?
Das sei Courant normal, antwortet der Redaktionsleiter sinngemäss. «Wenn es krasse Fehlprognosen gibt – was zum Glück selten vorkommt –, müssen wir transparent darauf eingehen.» Dabei könne man zugleich aufzeigen, wo die Grenzen der Meteorologie sind. «Das handhaben wir seit Jahrzehnten so.»
Man habe schon länger erkannt, dass die Temperaturen einiger Ortschaften im Ausland zu hoch angezeigt würden, und sei auf der Suche nach der Ursache gewesen. Dennoch: «Die Vehemenz der Kritik hat mich überrascht.» Der Vorwurf der politischen Einflussnahme sei so skurril, dass er ihn nicht ernst nehmen könne, sagt Bucheli. «Es handelt sich um eine bedauerliche wissenschaftliche Fehlprognose, die aber keinen riesigen Schaden angerichtet hat.»
Als SRF Meteo einmal einen morgendlichen Schneefall nicht vorhergesagt hatte, sei das anders gewesen: «Da kam es tatsächlich zu Problemen. Schneepflüge rückten nicht rechtzeitig aus, Autos blieben stecken, es kam zu Unfällen.» Auch damals habe man sich in der Sendung für den Fehler entschuldigt.
«Einen Fehler einzuräumen, braucht Grösse»
Die Angriffe von rechts auf die vielleicht unpolitischste Sendung – die Wetterprognose – zeigen: Auch in der Schweiz droht die Meteorologie zum Spielball der Politik zu werden. So wie es in den USA, England oder Spanien bereits länger geschieht. Dort greift man oft Wettermoderatoren an, weil sie eine Verbindung zwischen Ereignissen wie Hitzewellen oder Überflutungen und dem Klimawandel herstellen. Hält dieses Phänomen nun auch in der Schweiz Einzug? «Bei Klimathemen gab es schon immer einzelne kritische Stimmen», antwortet Bucheli, «das Thema ist sehr emotional und bewegt die Menschen.» Doch gewisse Beschwerden erstaunten ihn: «Einmal wurden wir dafür kritisiert, dass wir hohe Temperaturen in Rot darstellen – obwohl das auf jedem Thermometer so abgebildet ist.» So etwas mache ihn «etwas ratlos».
Für seinen handgestrickten Auftritt indes erhält Bucheli von einer Expertin für Krisenkommunikation gute Noten. Inhaltlich sei es richtig, dass SRF Meteo dem Thema in der Sendung grosses Gewicht gegeben habe, sagt Claudia Jenni (52) von der Agentur Kommunikationsatelier. «Denn präzise Prognosen sind ihr Kerngeschäft.»
Auf der persönlichen Ebene sei wichtig, dass Bucheli als Chef selbst vor die Kamera getreten sei. «Vor ein Millionenpublikum hinzustehen und einen Fehler einzuräumen, braucht Grösse.» Auch die Emotionalität des Meteo-Leiters wertet Jenni positiv: «Man hat ihm angemerkt, dass ihm die Geschichte nahegeht – das ist nur menschlich.»
Für SRF aber kommt die Kontroverse zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt: Das öffentliche Radio und Fernsehen steht von rechts – seit kurzem auch von links – unter Beschuss, weil es «zu parteiisch» sei. Diese Woche hat die SVP ihre Halbierungs-Initiative eingereicht, mit der sie die TV- und Radiogebühren von 365 auf 200 Franken senken möchte.
Vor diesem Hintergrund dürften Angriffe auf das Schweizer Fernsehen in Zukunft nicht abnehmen. Ganz im Gegenteil.