Fallzahlen explodieren
Babys mit Blaulicht ins Spital

Seit Oktober gehen Ansteckungen mit dem RS-Virus durch die Decke. Die Atemwegserkrankung ist für Säuglinge besonders gefährlich. Spitäler und Kinderarztpraxen sind am Anschlag.
Publiziert: 20.11.2022 um 09:11 Uhr
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Aktualisiert: 27.11.2022 um 12:59 Uhr
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«Wir arbeiten im Kinderarzthaus bereits sieben Tage die Woche – und dennoch kommen wir mit der schieren Anzahl kranker Säuglinge an unsere Grenzen», sagt Kinderärztin Ulrike Brennan.
Foto: Philippe Rossier
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Sven ZauggRedaktor SonntagsBlick

So etwas hat Ulrike Brennan in ihrer langen Karriere als Kinderärztin noch nie gesehen: «Wir arbeiten im Kinderarzthaus bereits sieben Tage die Woche – und dennoch kommen wir mit der schieren Anzahl kranker Säuglinge an unsere Grenzen.» Landesweit laufen Kinderkliniken und -spitäler am Anschlag. Denn dieses Jahr grassiert das Respiratorische Synzytial-Virus, kurz RSV, untypisch stark.

Mit dem Beginn der kälteren Jahreszeit sind RSV-Wellen regelmässig zu beobachten. Aufgrund der Corona-Massnahmen gab es in den vergangenen zwei Jahren aber praktisch keine Infektionen. Nun aber schiessen die Fallzahlen durch die Decke.

Das Virus wird beim Niesen oder Husten durch Tröpfchen übertragen und befällt die Atemwege. Die Symptome ähneln einer Erkältung: laufende Nase, Appetitlosigkeit, Husten, Niesen und Fieber. Für kleine Kinder ist RSV gefährlich. Während sich die meisten Menschen nach einer Woche wieder erholen, ist vor allem bei Säuglingen das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs um einiges höher – besonders bei Frühgeborenen, Babys mit einer Herz- oder Lungenkrankheit oder schwachem Immunsystem.

Risiko von Atemnot

Dazu Kinderärztin Brennan: «Die Infektion der Atemwege bei Säuglingen führen zu einer verstopften Nase, Husten und schliesslich zu Atemnot. Sie können auch nicht mehr gut trinken. Ein Säugling kann das je nach Intensität relativ lange aushalten, doch irgendwann ist Schluss, dann muss es schnell gehen.»

So schnell, dass in nur einer Woche gleich fünf Säuglinge aus einer Praxis des Kinderarzthauses mit Blaulicht ins Spital verlegt werden mussten.

Im Kinderspital Zürich sind derzeit 30 Betten mit Kindern und Babys belegt, die Schwierigkeiten beim Atmen haben. Vergangene Woche mussten aus Zürich mehrere Kinder nach Chur GR geflogen, andere nach Freiburg und Biel BE verlegt werden.

Die Lage ist schon jetzt angespannt, dabei ist der Höhepunkt der Welle laut Experten wohl noch nicht erreicht.

Menschenansammlungen meiden

Brennan rät zu einfachen Vorsichtsmassnahmen: «Kindergeburtstage, Theateraufführungen oder Ähnliches sollten Eltern mit kleinen Säuglingen und deren älteren Geschwistern derzeit meiden.» Wie bei Corona stecken sich derzeit auch viele Kinder in Tagesstätten an und tragen das Virus so in die Familie.

Für die ganz Kleinen kann das fatal sein: «Hustende Kinder und Erwachsene von ausserhalb der Familie sollten derzeit nicht in die Nähe von kleinen Säuglingen kommen», sagt die Kinderärztin.

Unterdessen bitten Spitäler und Kinderpraxen um Geduld. Die pädiatrische Grundversorgung sei immer noch gewährleistet, teilt etwa das Kinderspital Zürich mit.

Nur im Notfall auf die Notfallstation

Auch Brennan bittet darum, Ruhe zu bewahren. «Es bringt nichts, wenn die Eltern beim kleinsten Husten gleich in die nächste Notfallstation rennen. Diese müssen ihre Arbeitskraft für die wirklich schlimmen Fälle bündeln. Wenn Eltern besorgt sind, sollen sie sich am besten direkt bei ihrem Kinderarzt melden.»

Bisher gibt es keine allgemein zugängliche Prophylaxe gegen das RS-Virus. Extrem kranke Säuglinge, die als Frühchen geboren wurden, oder herzkranke Babys können jedoch während der Wintermonate mit monatlichen Antikörperimpfungen geschützt werden.

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