Die Tigermücke ist aggressiv, invasiv und tagaktiv. Und: Sie kann verschiedene Krankheitserreger übertragen. Beispielsweise das Dengue-Fieber. Bislang stellte das ein besonders grosses Problem für tropische Länder dar, aus denen die Mücke stammt. In Indien und Bangladesch gilt das Dengue-Fieber inzwischen als endemisch. Bedeutet: Die Krankheit kommt konstant vor. In Bangladesch gab es dieses Jahr rund 120'000 Infektionen. 570 Menschen starben. In Guatemala rief die Regierung den Gesundheitsnotstand aus.
Die World Health Organisation (WHO) warnt, dass rund die Hälfte der Weltbevölkerung einer Ansteckungsgefahr ausgesetzt ist. Das Robert-Koch-Institut geht weltweit von etwa 400 Millionen Infektionen pro Jahr aus. Die Dunkelziffer könnte noch höher liegen.
Doch nicht nur im fernen Ausland bereitet die Tigermücke Probleme. Auch für Europa birgt sie ein Gesundheitsrisiko. So kam es kürzlich in der italienischen Gardasee-Region zu mehreren Infektionen. Die europäische Seuchenbehörde erklärte, dass diese lokal entstanden. Bedeutet: Die Personen steckten sich in Italien an, anstatt den Virus einzuschleppen.
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«Die Viren werden auch über die Alpen kommen»
Peter Kremsner, Direktor des Instituts für Tropenmedizin, Reisemedizin und Humanparasitologie am Universitätsklinikum Tübingen, warnt gegenüber der «Frankfurter Zeitung»: «Die Viren werden auch über die Alpen kommen.» Deshalb müssten Mediziner künftig «viel stärker an eigentlich der Tropenmedizin vorbehaltene Krankheiten denken». Zu den Symptomen gehören hohes Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen sowie Hautausschläge. Auch kann es zu teils tödlichen, inneren Blutungen kommen. Rund 40 bis 80 Prozent der Infizierten sind laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) aber asymptomatisch.
Auch in der Schweiz gab es bereits Infizierte. Bis September 2023 wurden laut BAG 143 Fälle verzeichnet. 2022 waren es noch 108. Inländische Infektionen gab es zwar keine. Das BAG informiert jedoch, dass sich die Tigermücke bereits in mehreren Gebieten etablieren konnte – insbesondere im Tessin.
Gegenüber «20 Minuten» warnt Jan Fehr, Arzt und Leiter des Zentrums für Reisemedizin an der Universität Zürich: «In Zusammenhang mit dem sich verändernden Klima und den für die Tigermücken günstigen Lebensbedingungen sowie den vielen Reisenden, die aus Dengue-Gebieten zurückkommen, ist es wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis wir die ersten lokalen Ansteckungen in der Schweiz sehen.» Der Experte spricht hinsichtlich der weltweit rasant steigenden Infektionszahlen sogar von einer «stillen Pandemie», die zu einer «globalen Herausforderung» wird.
Kein Impfstoff in der Schweiz
«Bisher gibt es kein wirksames Medikament, das heisst, die Therapie erfolgt symptomatisch», heisst es auf der BAG-Website. Während es in der EU zugelassene Impfstoffe gibt, sind Schweizerinnen und Schweizer dem Virus schutzlos ausgesetzt. Die Behörde schreibt, dass die einzige präventive Massnahme der «Schutz vor Mückenstichen» sei. Das BAG empfiehlt Reisenden, «langärmelige, mit Insektiziden behandelte, weite Kleider zu tragen». Zudem solle man «tagsüber und abends ein Mückenschutzmittel aufzutragen und unter einem Moskitonetz zu schlafen.»
Wie «20 Minuten» unter Berufung auf Swissmedic berichtet, sei eine Impfstoff-Zulassung in Prüfung. Der Prozess könnte allerdings noch mehrere Monate dauern. Severin Lüscher, Hausarzt, Aargauer Grossrat und Gesundheitspolitiker, ist entsetzt. Zur Zeitung sagt er: «Die Schweiz sollte vorwärtsmachen. Dass die europäischen Staaten den Impfstoff zulassen und wir uns mit bürokratischen Hürden herumschlagen, ist unnötig.» (mrs)