Viele Schweizerinnen und Schweizer kränkeln momentan. Erkältungsviren zirkulieren im Land, die Corona-Zahlen schiessen in die Höhe. In den sozialen Medien ist bereits von Infektionsrekorden die Rede. So warnt der deutsche Molekularbiologe Ulrich Elling auf X: «Wir steuern auf eine der höchsten Covid-Wellen jemals zu.» Dabei staunt der in Wien dozierende Molekularbiologe über Daten aus Schweizer Kläranlagen. «Gewisse Anlagen sehen höchste je gemessene Werte», heisst es.
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Wie viele Coronainfizierte es momentan tatsächlich gibt, lässt sich nicht genau beziffern. Seit dem Ende der Gratis-Coronatests Anfang 2023 sind die Testzahlen wenig aussagekräftig, bestätigt auch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf Anfrage von Blick.
Die Coronazunahme zeigt sich jedoch auch im Abwassermonitoring des Wasserforschungsinstituts Eawag, das in 14 Kläranlagen der Schweiz Virenfragmente von Sars-CoV-2 sucht. In einigen Regionen ist die relative Viruslast auf einem sehr hohen Niveau, wie die neuen Dashboard-Daten des BAG verraten. Das Amt sagt auf Anfrage denn auch: «Informationen aus den verschiedenen Erhebungssystemen deuten auf eine steigende Häufigkeit von Covid-19 in der Schweiz hin. Dieser Anstieg hat sich in den letzten Wochen beschleunigt.»
Laut Eawag-Forscher Christoph Ort kann von den Virenfragmenten im Abwasser noch nicht direkt auf die Anzahl Infizierte geschlossen werden. «Einzig ein Vergleich mit den langen Zeitreihen von sechs Kläranlagen erlaubt eine ungefähre Einordnung.»
Vor allem die relativen Änderungen sind relevant
An den Standorten Altenrhein SG, Chur, Laupen BE und Zürich ist ein sprunghafter Anstieg der Infizierten in den Daten zu erkennen. Auch in Genf und Lugano sieht man eine stärkere Zunahme in den vergangenen paar Wochen. Doch auch Christoph Ort weist darauf hin, dass die Testkapazität- und Bereitschaft in der Bevölkerung in der Untersuchungsperiode nicht immer gleich hoch war.
Hinzu kommt: Die Anzahl Virenfragmente, die eine Person ausscheidet, kann je nach Coronavariante variieren. «Darum sind vor allem die relativen Änderungen über die Zeit relevant, weniger die absoluten Zahlen. Das Abwasser kann ausserdem nichts über den Schweregrad des Krankheitsverlaufs von Infizierten aussagen», erklärt der Experte.
Keine Gefahr für breite Bevölkerung
Professor Jan Fehr, Infektiologe an der Universität Zürich, sieht für die breite Bevölkerung aktuell keine Gefahr, da diese mittlerweile gut gegen eine schwere Erkrankung geschützt ist. «Jedoch dürfen Menschen, die immungeschwächt oder an anderen Risikofaktoren leiden, nicht vergessen gehen. Hier ist ein erhöhter Schutz angebracht, da es bei diesen Personen zu schwereren Verläufen kommen kann», sagt Fehr.
Zu den Rekorden, die in den sozialen Medien kursieren, meint der Experte: «Solange nicht plötzlich eine neue Variante auftaucht, die sich dem Immunschutz, den die Bevölkerung in den letzten drei Jahren aufgebaut hat, entzieht, besteht keinen Grund zur Sorge.» Die Anzahl Infektionen sei schon lange nicht mehr das entscheidende Kriterium.
Erkranke man als Person ohne Risikofaktoren aktuell an Corona, fühle man sich in der Regel zwar reduziert und müsse vielleicht ein paar Tage das Bett hüten – eine riesige Gefahr für die Gesellschaft ist das Virus aber nicht mehr. Neue Massnahmen müssten momentan nicht eingeführt werden, der Experte rät aber: «Bei Erkältungssymptomen mit Fieber sollte man zu Hause bleiben. Bei laufender Nase und Husten ist eine Maske angebracht.»
Grippewelle könnte zur Herausforderung werden
Der Anstieg der Corona-Zahlen beschäftigt auch die Kantone. Nachdem in den Monaten Juni und Juli 2023 ein Rückgang der Anzahl Personen mit einer Covid-19-Erkrankung festgestellt wurde, steigen die Fallzahlen seit August 2023 im Kanton Bern wieder an. «Für den Monat November 2023 verzeichnet der Kanton Bern bis heute 400 Fälle», schreibt das Gesundheitsdepartement des Kantons Bern auf Blick-Anfrage.
Corona bedeute für die öffentliche Gesundheit jedoch nicht mehr dieselbe Herausforderung wie während der Pandemie. Aber: «Gerade in Zeiträumen, in denen weitere Viren wie die Grippe oder RSV zirkulieren, kann dies zu einer Belastung des Gesundheitssystems führen.»
Der Kanton St. Gallen stellt ebenfalls eine Zunahme der Coronafälle fest. Die zuständigen Stellen beobachten die Situation engmaschig. Der Kanton rät ebenfalls, die gängigen Hygiene- und Verhaltensregeln, die schon während der Pandemie galten, zu befolgen. Ähnlich tönt es auch beim Kanton Zürich. «Die aktuell zirkulierenden Varianten führen nach jetzigem Kenntnisstand nicht zu schweren Verläufen», schreibt die Gesundheitsdirektion auf Blick-Anfrage. Eine coronabedingte Überlastung des Gesundheitswesens sei derzeit nicht zu beobachten. Das Amt für Gesundheit analysiert die Lage laufend und ist im Austausch mit den Spitälern. Es gelte weiterhin eigenverantwortlich zu handeln, um sich und andere zu schützen.
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