Der Schweizer Kaufmann Johann August Sutter gilt als «Vorzeigepionier»: 1834 reiste er nach Kalifornien und gründete dort die Kolonie Neu-Helvetien. Durch seinen wirtschaftlichen Erfolg in der Neuen Welt konnte er seine Schulden in der Alten bezahlen. Das ist die eine Seite der Medaille. Die Gemeinde Rünenberg BL errichtete ihm dafür ein Denkmal.
Doch Sutter betrieb auch Menschenhandel. Er zwang Indigene, umsonst für ihn zu arbeiten, und missbrauchte seine Untergebenen. Das ist die andere Seite der Medaille. Und der Grund dafür, dass die Juso im Juni 2020 seinen Gedenkstein verhüllte und forderte: «Keine Denkmale für Sklav*innenhalter».
Denkmäler sind umstritten – erst recht, aber nicht erst seit der letztjährigen «Black Lives Matter»-Bewegung, die in den USA begann und auch die Schweiz erreichte. Sie machte vor allem auf rassistische und kolonialistische Monumente aufmerksam. Darauf entbrannte die Debatte, ob man diese stehen lassen oder abreissen soll. Die Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW) findet: Man könnte sie auch verändern.
Bewerten Sie die Denkmäler der Schweiz
Zu ihrem 75-Jahr-Jubiläum hat die SAGW die Aktion «Mal Denken!» gestartet. Mit dem Ziel, die ganze Öffentlichkeit in die Diskussion einzubeziehen, fragt die Akademie: Woran wollen wir uns im öffentlichen Raum erinnern – und wie? Das Thema sei omnipräsent, sagt der wissenschaftliche Redaktor der SAGW, Heinz Nauer (36), aber auch stark besetzt von der «Black Lives Matter»-Bewegung: «Wir wollten das etwas breiter anschauen und auf verschiedene Themen ausweiten.» So sei zum Beispiel spannend, wer alles kein Denkmal bekommen habe – häufig Frauen oder Migranten.
Auf der Website der SAGW können sich Interessierte über Schweizer Denkmäler informieren und diese in einer Umfrage bewerten. Seit Ende Mai läuft ausserdem ein Wettbewerb, der die Öffentlichkeit dazu auffordert, Ideen einzureichen, wie man bestehende Denkmäler verändern könnte.
Die Auswahl der Denkmäler war nicht leicht, so Nauer: «Wir haben schnell gemerkt, dass alles Mögliche als Denkmal gilt – Brücken, Bäume, Strassennamen. Wir haben uns dann auf diejenigen konzentriert, die auf Sockeln stehen.» Insgesamt stellt die SAGW 24 Monumente vor.
Sutters Denkmal ist in der Umfrage mit 63 Prozent «Daumen nach unten» das am schlechtesten bewertete Denkmal. Am besten gefällt den Teilnehmern das Mahnmal «Le vittime del lavoro» in Airolo TI, das an die Arbeiter erinnert, die beim Bau des Gotthard-Eisenbahntunnels starben.
Wer oder was ein Denkmal verdient, ist ebenfalls Teil der Umfrage der SAGW. Die 230 Personen, die bereits teilgenommen haben, befürworten vermehrt Denkmäler von Frauen oder der Frauenbewegung allgemein. Ebenfalls oft vorgeschlagen wird ein Monument, das an die Opfer der Corona-Pandemie erinnert und an die Menschen, die zu deren Überwindung beigetragen haben.
Was passiert mit dem problematischen Sutter-Denkmal?
Nauer beobachtet, dass es in den letzten Jahrzehnten kaum noch Denkmäler für Einzelpersonen gab. Einen Menschen auf einen Sockel zu stellen, sei immer zweischneidig.«Wenn, dann braucht es einen vielschichtigen Umgang damit», findet Nauer und nennt als Beispiel die «Mocmoc»-Skulptur in Romanshorn TG. Die Fantasiefigur, die 2003 eingeweiht wurde, steht symbolisch für die Gründungslegende der Stadt. Diese ist frei erfunden.
Die SAGW fragte auch, wer über das Aufstellen von Denkmälern beraten und entscheiden solle. «Früher war das wohl klarer», so Nauer. «Heute gibt es sicher mehr gesellschaftliche Gruppierungen und Bewegungen, die mitreden.» Die Umfrageteilnehmer finden, dass in erster Linie die Stimmbürger entscheiden müssten.
Der Wettbewerb läuft noch bis am 1. Oktober. Ein Ziel ist laut Nauer, der Politik und gesellschaftlichen Organisationen konkrete Empfehlungen vorlegen zu können. Besonders gespannt ist er auf die Vorschläge für das Sutter-Denkmal: «Es ist historisch höchst problematisch. Da kann ich mir auch vorstellen, dass wirklich etwas verändert wird.»
In den USA ist es schon passiert. In Sacramento (Kalifornien) gibt es nämlich auch ein Sutter-Monument. Nachdem indigene Aktivisten einen Farbangriff auf die Statue verübt hatten, liess das Krankenhaus, vor dem sie stand, sie «aus Respekt den indigenen Einwohnern der Stadt gegenüber» offiziell entfernen.
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