Was hat es mit dem Wort «Mohr» eigentlich auf sich?
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Schweizer Rassismus-Erbe:Vom «Berg der Schande» bis zu Alfred Escher

Auch die Schweiz huldigt Rassisten
Vom «Berg der Schande» bis zu Alfred Escher

Nicht nur die Debatte um den Namen Mohrenkopf hat neue Aktualität gewonnen. Vom Agassizhorn bis zu Alfred Escher: Die Schweiz huldigt vielerorts Figuren mit rassistischem Hintergrund. Das Thema kommt nun – erneut – auf das politische Parkett.
Publiziert: 12.06.2020 um 17:24 Uhr
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Aktualisiert: 30.06.2020 um 16:14 Uhr
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Sorgt seit über einem Jahrzehnt für Streit: das Agassizhorn.
Foto: Keystone
Gianna Blum

Die Papierberge wegen des Agassizhorns sind hoch, wenn auch wohl nicht ganz so hoch wie der 3946 Meter hohe Gipfel. Der Berg an der Kantonsgrenze zwischen dem Wallis und Bern ist nach dem Gletscherforscher Louis Agassiz benannt. Dieser erlangte posthum neue Bekanntheit – allerdings nicht wegen seiner wissenschaftlichen Errungenschaften.

«Er war der bedeutendste Rassist des 19. Jahrhunderts», enerviert sich Hans Fässler (66), Historiker und St. Galler SP-Politiker. Fässler kämpft seit 2007 für eine Umbenennung des Agassizhorns und schlägt stattdessen Rentyhorn vor – nach dem Sklaven Renty, den Agassiz als angeblichen Beweis für die Minderwertigkeit der schwarzen Rasse fotografieren liess.

Alte Forderung, neue Aktualität

Fässler versucht es nun erneut mit einem Brief an die drei betroffenen Gemeinden. Er hat aber auch auf Bundesebene einen Mitstreiter: SP-Ständerat Carlo Sommaruga (60) wird in der nächsten Sessionswoche einen Vorstoss für die Namensänderung des Gipfels einreichen. Es ist bereits sein dritter. Aber die Forderung hat im Zuge von «Black Lives Matter» neue Aktualität erreicht.

«Dieser Name hat über die Schweiz hinaus Wirkung», so Sommaruga. Agassiz hat seine Rassentheorien nach seiner Auswanderung in die USA entwickelt. Bei seinen früheren Vorstössen war Sommaruga erfolglos. Aber, so der Genfer: «Man musste sich damit auseinandersetzen, dass Agassiz ein Rassist war – und das war bereits ein Erfolg.»

Problematische Würdigungen

Über Agassiz streitet die Schweiz seit über einem Jahrzehnt. So gibt es etwa eine mit «Berg der Schande» betitelte Kurzdoku. Doch die Liste von historischen Figuren, deren Würdigung zumindest problematisch ist, ist länger. Was selbst Historiker Fässler «immer wieder erstaunt». Er nennt etwa die Familie Pool aus Bever GR, auf deren historische Überbleibsel er bei einer Wanderung im Engadin gestossen sei – und die ihr Geld mit Plantagenbesitz gemacht hat.

Basel hat dagegen seinen Johann August Sutter. Im 19. Jahrhundert folgte der Kaufmann dem Goldrausch in Kalifornien. Er wurde reich und legte den Grundstein für die Stadt Sacramento – gilt aber auch als Sklaventreiber.

Zürich wiederum muss sich seit einiger Zeit damit auseinandersetzen, dass die Familie von Wirtschaftsführer und Eisenbahnpionier Alfred Escher auf Kaffeeplantagen auf Kuba Sklaven hielt. Das Image des «Nationalheiligen» hat also ein paar unschöne Kratzer.

Und natürlich: Die Debatte über den Begriff Mohrenkopf spaltet die Schweiz. Wappen, Schilder, Strassennamen werden mit Verweisen auf Kolonialismus und Rassismus kritisch beäugt. Und in Bern hat die Bar Colonial ihren Namen nach öffentlichen Protesten abmontiert.

Auf den Kontext kommt es an

Die steinernen Köpfe könnten also bald rollen. Die Basler Juso etwa hat das entsprechende Sutter-Denkmal kürzlich eingepackt, und auch der Sockel der Zürcher Escher-Statue wackelt. Doch die Statuen niederzureissen, sei auch keine Lösung, findet Hans Fässler.

«Auch das Demontieren einer Statue ist schliesslich ein historischer Akt», sagt er. Wichtiger sei die Auseinandersetzung mit der entsprechenden Figur. Am Beispiel Escher hiesse das: «Man kann den Mann würdigen und trotzdem den Kontext sichtbar machen – etwa im Museum oder zumindest mit einer Plakette.»

Bitte keine «Mohrenbilder»

«Man muss die früheren Volkshelden mit kritischem Blick anschauen», findet auch SP-Ständerat Sommaruga. Denn die Schweiz habe ebenfalls ein koloniales Erbe. «Bilder von Mohren haben in Wappen nichts zu suchen.»

Im Parlament bleibt Sommaruga aber dem Kampf gegen das Agassizhorn treu. Schliesslich sei das Thema bereits auf Bundesebene angekommen, und nun sei es «höchste Zeit, dass sich der Bundesrat und die betreffenden Gemeinden bewegen».

Agassiz hat im Übrigen auch in den USA Spuren hinterlassen. So steht eine Statue von ihm vor der Stanford University in Kalifornien – einer der renommiertesten Hochschulen des Landes. Die Universität prüft nun, die Figur zu entfernen.


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