Dokfilm über den «Terroranwalt» Bernard Rambert
«Ich will nicht als A***loch sterben»

Einst war er für das Bürgertum ein rotes Tuch: der Zürcher Strafverteidiger Bernard Rambert. Er verteidigte RAF-Terroristen, den Öko-Anarchisten Marco Camenisch oder Brian Keller. Ein Blick zurück auf das Leben eines der umstrittensten Anwälte der Schweiz.
Publiziert: 20.02.2025 um 10:06 Uhr
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Aktualisiert: 20.02.2025 um 12:46 Uhr
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Der Anwalt Bernard Rambert in der Kanzlei in Zürich, in der er ab und zu noch arbeitet.
Foto: Thomas Meier

Darum gehts

  • Bernard Rambert ist einer der umstrittensten Anwälte der Schweiz
  • Er vertrat den Öko-Anarchisten Marco Camenisch, den Ausbrecherkönig Walter Stürm und RAF-Terroristen
  • Ein neuer Dokumentarfilm erzählt seine Geschichte
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Rebecca WyssRedaktorin Gesellschaft

«Es langet jetzt.» Bernhard Rambert (79) sitzt in der Kanzlei in Zürich, wo er heute noch ab und zu arbeitet, und streicht sich durch die kurzen grauen Haare, die viele Jahre lang gewesen sind. Jetzt könne man Gerichtseingaben bald nur noch elektronisch machen. «Also nein, damit fange ich nicht auch noch an.» Schon 2015 klang es nach Ruhestand. Verschiedene Medien brachten Abschiedsbeiträge über ihn. Doch dann sah man ihn vor zwei Jahren im SRF-«Club» sitzen, wo er sich als Anwalt für Brian Keller einsetzte. Da war klar: So einfach werden seine Kritiker ihn nicht los.

Dieser Mann, der verschmitzt hinter seiner runden Brille schaut, war einst einer der umstrittensten Strafverteidiger der Schweiz. Wie bei den Erfolgreichen dieses Fachs üblich, hatte Bernard Rambert ein Label: «Terroranwalt». Oder «Roter Beni». Rambert vertrat eine ganze Reihe von berühmt-berüchtigten Angeklagten: den Öko-Anarchisten Marco Camenisch, den Ausbrecherkönig Walter Stürm, die Aktivistin Andrea Stauffacher oder RAF-Mitglieder, die in der Schweiz gefasst wurden. 1976 besuchte er den RAF-Gründer Andreas Baader in Stuttgart-Stammheim, um eine Haftbeschwerde vorzubereiten. Die Medien in der Schweiz, das Bürgertum – alle tobten.

Er kämpfte gegen die Isolationshaft

«Terroranwalt» klingt gefährlich. Man stellt sich einen grimmigen Kerl vor. Bernard Rambert sitzt mit übereinandergeschlagenen Beinen da, schmunzelt manchmal und hakt neugierig nach, wenn er meint, die Journalistin schaue skeptisch: «Das können Sie nicht verstehen?» Rambert wirkt milde. Doch an seinen Überzeugungen hat sich nichts geändert. Da bleibt er hart. Er sagt: «Ich bin immer noch Kommunist.» Er sei keiner, der im Alter die Meinung wechsle. Das zeigt auch der Dokumentarfilm «Suspekt», der neu in den Kinos läuft. Der Filmemacher Christian Labhart zeichnet Ramberts Wirken nach, das eng mit dem Aufbruch der 68er verflochten ist. Mit dem linken Terrorismus in Deutschland, der in die Schweiz ausstrahlte. Ein Stück Schweizer Geschichte. Bernard Rambert ist Teil davon.

Mitte der Siebzigerjahre verteidigte er die italienisch-deutsche Anarchistin Petra Krause. Sein Gesellenstück. Die Frau und ihre Helfer hatten Munitionsdepots in der Schweiz ausgehoben und linke Terrorgruppen im Ausland mit Waffen versorgt. Rambert konnte mit der Staatsanwaltschaft einen Deal aushandeln, Krause kam frei. Kurz darauf der nächste Coup, ein schwieriger Fall. Die zwei deutschen RAF-Terroristen Christian Möller und Gabriele Kröcher-Tiedemann hatten 1975 im Jura in einem Zollhaus zwei Beamte angeschossen. Die Stimmung im Land war aufgeheizt. Die Wut riesig. Rambert überzog die Gerichte mit Eingaben und Beschwerden und organisierte Pressekonferenzen, die selbst im linksliberalen Bürgertum Gehör fanden. Am Ende gab es für beide Haftstrafen. Doch der Anwalt hatte ein Schlaglicht auf einen Missstand geworfen, den bis dahin niemand hinterfragt hatte: die Isolationshaft – «Isolationsfolter», wie er es nennt und später auch im Fall Brian anprangerte.

Er folgt einem eigenen Kompass

«Das war ein Prozess gegen Terrorismus», sagt Rambert heute über den Fall Möller und Kröcher-Tiedemann. Spricht er über die Terroristen, setzt er das Wort mit den Fingern in Gänsefüsschen. Rambert hat Menschen verteidigt, die mit Gewalt das System ändern wollten. Menschen, die dafür zu töten bereit waren. Damalige Weggefährten von ihm zogen da die Grenze. Er nicht. Wie steht er zu Gewalt? «Ich verabscheue sie», sagt er auf die Frage, die ihm oft gestellt wird. Doch er relativiert. Diese sei nicht schlimmer als strukturelle Gewalt wie Rassismus oder Klassismus. «Darüber spricht niemand mit mir.»

Bernard Rambert entwickelte einen eigenen moralischen Kompass. Gut und schlecht ist bei ihm anders besetzt. «Das muss man», sagt er. «Ich bin in einem Beruf, den die Mehrheit der Menschen nicht versteht.» Er will «lieber nicht» wissen, ob seine Klienten eine Tat begangen haben. Es stört ihn auch nicht, dass diese ihn anlügen. «Warum sollte eine Klientin Vertrauen zu mir haben, wir kennen uns nicht», sagt er. Er selbst war als Anwalt von Walter Stürm in den Achtzigerjahren in ein Verfahren verwickelt. Die Polizei hatte Waffen und Werkzeuge beim Haus von Ramberts Tante in der Westschweiz gefunden – das Zeug gehörte Stürm. Rambert wurde wegen Hehlerei angeklagt und freigesprochen. Hat er je mit Stürm über die Sache gesprochen? Dazu will er nichts sagen.

Todesdrohungen während der Terrorjahre

Für seine Arbeit zahlte Rambert einen Preis. Jahrelang bespitzelten ihn die Schweizer Behörden. Sie zapften sein Telefon an, hörten jenes der damaligen Lebenspartnerin ab. Öffneten seine Post. Verfolgten ihn mit dem Auto. All das ist in seiner Fiche aus jener Zeit dokumentiert. Hinzu kommen Anfeindungen aus der Bevölkerung. Und Drohungen. Wie kann man nur einen Brian verteidigen? So und ähnlich stand es in anonymen Schreiben an ihn. Doch ist das harmlos im Vergleich zu den Terrorjahren. Einmal fand er in seiner Post eine rot angemalte Patrone, deren Spitze abgesägt war – ein Dum-Dum-Geschoss, das schwere Wunden verursacht.

Sein Leben hätte deutlich ruhiger verlaufen können. Der Anwalt wuchs gutbürgerlich in Zürich auf. Sein Vater war Ingenieur, der Grossvater Bundesrichter. Rambert hätte als Wirtschaftsanwalt viel Geld verdienen können. Darauf angesprochen winkt er sofort ab und sagt: «Um Gottes willen! Schauen Sie sich mal den Züriberg an, so viele der Leute dort sind verklebt.» Gefangen in ihren Zwängen. Das war er nie. Deshalb heiratete er zwar, blieb aber kinderlos. Der Freiheit zuliebe, sagt er. Noch wichtiger war ihm jedoch etwas anderes: «Ich will nicht als Arschloch sterben.»

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