Bei den grossen Mehrfamilienhäusern am Birchweg über Schaffhausen wütet eine Gang von Jugendlichen. 10- bis 16-Jährige machen den Anwohnern das Leben zur Hölle. Wertvolles wird gestohlen, Schönes wird zerstört. Vandalenakte gehören im Multikulti-Quartier von Schaffhausen zu Alltag. Die Behörden waren lange machtlos. Doch jetzt platzt mehreren Anwohnerinnen der Kragen.
«So kann das nicht weitergehen», sagt die zweifache Mutter Laura Kunz (46). Nachdem die Kinder-Gang am Auto ihres Ex-Mannes die Scheibe eingeschlagen hatte, will sie alles tun, um die Kinder-Gauner zu stoppen. «Warum denken die Idioten, sie dürfen das Leben in unserem schönen Quartier zerstören?»
Kunz wohnt seit 2017 in der Wohnung an der Birchstrasse. Sie hat zwei Söhne im Alter von 8 und 16 Jahren. Spielsachen für draussen, Velos und Trottinetts stehen im Wohnzimmer. «Wir können nichts unbeaufsichtigt draussen stehenlassen», sagt Kunz verzweifelt. «Es wird sonst sofort geklaut oder zerstört», sagt sie. Und weiter: «Sogar das Waschpulver in der Waschküche oder schöne Kleider kann man nicht aus den Augen lassen, sonst sind sie weg.» Darum lasse sie die Wäsche in der Wohnung trocknen.
Vandalenakte sind am schlimmsten
Kunz arbeitete in ihrem Heimatland Rumänien als Gerichtsschreiberin und hat dementsprechend Erfahrung mit Chaoten und Vandalen. Viel schlimmer als die Klauerei findet sie die sinnlose Zerstörung: «Wenn es dunkel wird, werfen sie Steine und lassen grosse Holzstücke den Hügel herunterrollen. Die knallen dann gegen meine Fenster und die Mauer und rollen auf meine Terrasse.»
Auch Pakete vor der Haustüre seien vor den Buben nicht sicher. «Mir wurde am 17. Juli ein Paket von Zalando geklaut. Nachdem ich auf einem Aushang mit einer Anzeige gedroht hatte, tauchte die Lieferung wieder auf», sagt die Frau. Aber die Buben hätten auf das Paket uriniert. «Jemand hatte die Jungs beobachtet und mir erzählt», so Kunz. «Zuvor haben sie auch mit dem Paket Fussball gespielt.»
Seit zwei Jahren schon versuche die Frau, die Behörden einzuspannen. Ohne Erfolg. Denn bisher konnte sie nur Anzeigen gegen unbekannt machen. «Ich hatte ja keine Namen» erklärt Kunz. Doch jetzt komme Bewegung in die Sache, sagt sie. «Ich konnte mit Augenzeugen und Nachbarn die Vornamen ausfindig machen. Jetzt können die Behörden die Nachnamen dazu eruieren.» Kunz hofft auf eine Zusammenarbeit zwischen Kesb, Jugendanwaltschaft und Sozialamt.
Sieben Knaben in der Kinder-Gang
Laut den Aussagen von mehreren Nachbarn besteht die Gang aus sieben Jungs zwischen 10 und 16 Jahren. Ein Gangmitglied stamme aus der Ukraine, die Restlichen seien Flüchtlinge aus Eritrea und Somalia. Die Behörden seien mit der Situation bisher offenbar überfordert gewesen. Als das Velo ihres Sohnes auf der Privatterrasse beschädigt worden war, beteiligte sich gemäss Kunz die Kesb an der Reparatur. Die Frau erklärt: «Sie rieten mir, die Gang lieber nicht zu konfrontieren. Das sei viel zu gefährlich. Diese Aussage machte mir Angst.»
Seit zwei Jahren bestehe die Bedrohung durch die Gang, doch am Mittwoch seien die Jungs erneut zu weit gegangen, sagt Kunz. Sie schlugen eine Scheibe des Autos ihres Ex-Mannes ein. «Ich plante die Besichtigung einer Wohnung, darum lieh er mir das Auto. Der Wagen stand nur wenige Minuten auf meinem Parkplatz. Schon schlugen sie zu.» Die Schaffhauser Polizei bestätigt gegenüber Blick, dass es zu diesem Fall einen Einsatz gegeben habe. Wegen der laufenden Untersuchung gebe es dazu aber noch keine weiteren Informationen.
Andi Kunz, Dienststellenleiter des kantonalen Sozialamts, bestätigte auf Blick-Anfrage, dass derzeit kantonsintern weitere Abklärungen zum Thema laufen. «Sollten in irgendeiner Weise Personen, die durch das kantonale Sozialamt unterstützt werden, in die Vorfälle involviert sein, werden wir im Rahmen unserer Möglichkeiten versuchen, auf das Verhalten der Jugendlichen Einfluss zu nehmen», kündigt er an.
Günstige Wohnungen
Im Quartier sprach Blick mit verschiedenen Anwohnern. Sie kommen aus Brasilien, Deutschland, Äthiopien, Polen, Rumänien, Ex-Jugoslawien. Die Wohnungen sind günstig. Es ist ein klassisches Arbeiterquartier. Gemeinsam haben viele Personen die Angst vor der aggressiven Gang. «Ich lasse meine Kinder nicht mehr alleine draussen spielen», sagt etwa die Äthiopierin Mellat Alemayehu (35). «Es macht unser Leben schwieriger. Ich arbeite oft im Homeoffice», sagt sie. Dass die Eltern der Gang nichts unternehmen würden, mache sie sehr wütend.
Für die Birch-Bewohner gibt es wenig Alternativen zu den günstigen Wohnungen im Quartier. Jetzt warten sie alle gespannt auf Massnahmen der Behörden, um die Kinder-Gang in den Griff zu kriegen – «oder ob es einfach einen weiteren Runden Tisch im Quartierzentrum gibt», sagt Laura Kunz kritisch.