Darum gehts
Lorenz Hurni, US-Präsident Trump war erst wenige Tage im Amt, und schon benannte er den Golf von Mexiko in Golf von Amerika um – und Google Maps zog sofort nach. Das ging erstaunlich schnell.
Ja. Ich war auch überrascht. Es geht um territoriale Einflussnahme, um Macht. Firmen wie Google verhalten sich opportunistisch, weil sie unter Umständen wirtschaftlich benachteiligt werden, wenn sie nicht tun, was von oben befohlen wird. Google Maps passt sich aber schon länger den jeweiligen Machthabern an, indem unterschiedliche Grenzverläufe angezeigt werden, je nachdem, aus welchem Land man auf die Google-Karten zugreift.
Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.
Probieren Sie die Mobile-App aus!
Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.
Probieren Sie die Mobile-App aus!
Haben Sie ein Beispiel?
Die Region Kaschmir. Da gibt es extrem komplexe Gebietsansprüche und Überlappungen zwischen Pakistan, China und Indien. In solchen Situationen zeigt Google Maps in den jeweiligen Länderversionen unterschiedliche Grenzen. Wir handhaben das anders: Im Schweizer Schulatlas haben wir zu Kaschmir eine spezielle Karte, die aufzeigt, dass es dort Konflikte gibt, und wollen so Diskussionen in den Schulen anregen, aber keine Meinungen durchdrücken.
Werden Sie das im nächsten Schulatlas auch beim Golf von Mexiko so handhaben?
Wir würden den neuen Namen neben dem bisherigen nur dann verwenden, wenn er sich international durchsetzen würde.
Wer bestimmt in der Schweiz, was man auf Landkarten abbildet?
Wir gehen beim Schweizer Weltatlas von der Liste der anerkannten Länder des Aussendepartements aus. Die Schweiz anerkennt etwa Tibet und Taiwan nicht als unabhängige Staaten, sondern als Teil von China, deshalb sind sie auf unseren Karten auch in derselben Farbe gehalten wie China. Aber wir schreiben zum Beispiel Taiwan kursiv, um zu zeigen, dass es sich um ein umstrittenes, aber de facto unabhängiges Gebiet handelt. Im Zweiten Weltkrieg anerkannte die Schweiz die deutsche Expansion und Annexion von Ländern wie Polen oder Österreich nicht, weshalb unsere Karten damals weiterhin den Vorkriegszustand zeigten.
Die Redaktion des Schweizer Weltatlas wurde vor ein paar Jahren von der japanischen und der südkoreanischen Botschaft wegen der Benennung des Meeres zwischen den Ländern angegangen. Das wirkt extrem.
Das war auch eine spezielle Ausnahme. Japan wollte die Bezeichnung «Japanisches Meer», Südkorea hingegen «(Koreanisches) Ostmeer». Wir entschieden uns, beide Namen in den Schulatlas aufzunehmen, weil wir beide Sichtweisen als berechtigt einschätzten und den Diskurs anregen wollten. Hinter Namensänderungen steckt meist viel Vorgeschichte.
Wie meinen Sie das?
Die Anpassung einer Karte markiert nicht zwingend den Anfang eines Konflikts, sondern kann auch erst später im Konflikt folgen. Das zeigt sich zum Beispiel in Tibet. Chinas zunehmende Unterdrückung in Tibet führte in jüngster Zeit zu einer behördlichen Verfügung in China, statt Tibet nur noch den chinesischen Namen Xizang auf Karten und weiteren Dokumenten zu verwenden. Karten können aber durchaus auch dazu eingesetzt werden, denjenigen zu mehr Macht zu verhelfen, die nur wenig Macht haben.
Können Sie ein Beispiel nennen?
In Nordamerika unterstützen etwa Universitäten indigene Völker, indem sie versuchen, ihre nur mündlich überlieferten Gebietsabgrenzungen auf modernen Karten festzuhalten. Der Bruno-Manser-Fonds hat eine ähnliche Kartierung mit dem Volk der Penan in Malaysia durchgeführt, um dessen Rechte gegenüber der Regierung und Firmen besser durchsetzen zu können.
Gibt es so etwas wie eine richtige Karte gar nicht?
Nein. Viele Leute haben den Eindruck, dass Landkarten die Welt unverfälscht darstellen, weil etwas schwarz auf weiss da steht. Aber es ist natürlich so, dass neben der Qualität der dargestellten Daten auch entscheidend ist, wer die Karten herstellt und in welchem Auftrag. Die Kartenmacher stehen immer unter dem Einfluss ihres Umfelds und sind, wie ihre Produkte, auch nie neutral.
Und wie zeigt sich das?
Nur schon die grafische Darstellung, zum Beispiel von Gebirgen oder Strassen, ist je nach Land unterschiedlich. Schweizer Karten sind eher eidgenössisch nüchtern, aufgeräumt und ohne unnötigen Firlefanz. Auf französischen Karten findet man mehr «Nice to have»-Elemente, da werden auch etwa Käsereien eingezeichnet. Ich empfinde diese kulturellen Einflüsse auf Karten nicht als grundsätzlich negativ. Aber man kann Karten eben auch für politische Zwecke missbrauchen. Russland schafft zum Beispiel Fakten und stellt auf Karten und in Schulatlanten russisch beanspruchte Gebiete in der Ukraine bereits als russisches Territorium dar. Man muss sich bewusst sein: Landkarten sind immer menschengemachte Vorstellungen der Wirklichkeit, nie die Wirklichkeit selbst. Es gibt eigentlich nur falsche Karten.
Gibt es keine neutrale internationale Instanz, die objektiv entscheidet, wie Landkarten aussehen, wo die Grenzen sind und wie ein Land heisst?
Nein. Also, es gibt die United Nations Group of Experts on Geographical Names, die eigentlich eine solche Rolle einnehmen könnte. Aber die Organisation hat bis heute keine verbindliche Liste mit geografischen Namen publiziert, jedoch Richtlinien zur Schreibweise. Es gibt allerdings Bestrebungen, möglichst unabhängig Kartendaten zu sammeln. Plattformen wie Openstreetmap.org basieren auf Freiwilligenarbeit und werden ähnlich wie Wikipedia laufend, quasi selbstregulierend, weiterentwickelt. Für Ortsnamen existieren geografische Namensdatenbanken wie Geonames.org. Für den Atlas stützen wir uns sehr stark auf diese Datenbanken. Ihr Vorteil ist, dass sie demokratischer organisiert sind als kommerzielle oder staatliche Plattformen. In ihren Foren können auch Diskussionen über offene Fragen stattfinden.
In einem Beitrag im ETH-Zukunftsblog schreiben Sie, dass es auch in der Schweiz umstrittene Gebiete und Ortsbezeichnungen gegeben hat.
Im Berner Oberland gibt es den Gletscher «Uf der tote Äbeni», der Kanton Wallis erhob aber Anspruch auf das Gebiet, welches in seinen amtlichen Karten mit «Glacier de la Plaine Morte» beschriftet ist. Das Gebiet liegt oberhalb von Crans-Montana an der Grenze der beiden Kantone. Es ging hier wohl vor allem um eine mögliche Erweiterung eines Skigebiets und um die Nutzung der Wasserreserven im Gletscher. Der Grenzstreit endete 1994 vor Bundesgericht zugunsten des Kantons Bern.
Spiele live mit und gewinne bis zu 1'000 Franken! Jeden Dienstag, Mittwoch und Donnerstag ab 19:30 Uhr – einfach mitmachen und absahnen.
So gehts:
- App holen: App-Store oder im Google Play Store
Push aktivieren – keine Show verpassen
Jetzt downloaden und loslegen!
Live mitquizzen und gewinnen
Spiele live mit und gewinne bis zu 1'000 Franken! Jeden Dienstag, Mittwoch und Donnerstag ab 19:30 Uhr – einfach mitmachen und absahnen.
So gehts:
- App holen: App-Store oder im Google Play Store
Push aktivieren – keine Show verpassen
Jetzt downloaden und loslegen!
Live mitquizzen und gewinnen