Die grossen Unterschiede zwischen den Pandemien
Wird Corona eine zweite Spanische Grippe?

Die tödlichste Pandemie der Neuzeit wütete vor 102 Jahren. Besonders die zweite Welle war verheerend. Parallelen zur Corona-Krise bereiten Sorgen. Doch Experten meinen: Der Vergleich mit der Spanischen Grippe hinkt.
Publiziert: 11.01.2021 um 08:29 Uhr
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Aktualisiert: 09.02.2021 um 11:00 Uhr
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Geraten in der zweiten Corona-Welle wieder an die Grenzen ihrer Kraft: Pfleger auf den Schweizer Intensivstationen.
Foto: Keystone
Myrte Müller

Europa ist alarmiert. Bundesrat Alain Berset rechnet mit einer dritten Corona-Welle. Kanzlerin Angela Merkel warnt vor den «schwersten Monaten», Boris Johnson schickt sein Volk in einen verschärften Lockdown. Alle fürchten steigende Fallzahlen und mehr Tote.

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Nun erhebt sich das Schreckgespenst der «Lungenpest» aus ihren geschichtlichen Katakomben, die Spanische Grippe! Sie überrollte von 1918 bis 1919 in drei Wellen die Welt, Schätzungen zufolge erlagen bis zu 50 Millionen Menschen dem Influenzavirus. Allein in der Schweiz starben 25'000 Menschen bei einer Bevölkerung von vier Millionen Menschen. Corona hingegen forderte bislang über 7000 Todesopfer. Bislang.

Was kommt noch auf uns zu?

Hätte Corona also die tödliche Wucht einer Spanischen Grippe, gäbe es in der Schweiz 50'000 Tote und weltweit zwischen 200 und 400 Millionen Todesopfer. Die Spanische Grippe zeigt ähnliche Symptome wie Corona und das Virus übertrug sich über Tröpfchen und Kontakte. In beiden Pandemien grassiert das Virus vor allem in der kalten Jahreszeit.

Experten beschwichtigen. «Die Spanische Grippe kann man nicht mit der Corona-Pandemie vergleichen», sagt Historiker Manfred Vasold, «damals herrschte der erste Weltkrieg. Das Virus wurde über Truppentransporte aus den USA nach Europa gebracht, wo es sich ausbreiten konnte.» Man habe die Pandemie damals heruntergespielt, um dem Feind keine Schwäche zu zeigen. «Informationen zur Pandemie gab es kaum. Zeitungsartikel darüber wurden zensiert.»

Die Bevölkerung sei damals häufig unterernährt und erschöpft gewesen, somit viel anfälliger für Infektionskrankheiten, sagt Andreas Widmer vom Universitätsspital Basel. «Die Wohnverhältnisse waren sehr beengt, die hygienischen Bedingungen schlecht», so der Infektiologe, «die Menschen wurden vom Supervirus überrollt. Viele entwickelten eine schwere Immunreaktion.» Zudem traf das Grippevirus vor allem junge Menschen, im Alter zwischen 20 und 40 Jahren. An Corona erkranken vornehmlich die Senioren schwer.

«Völlig anderes Niveau»

Besonderen Eindruck auf die Zeitgenossen habe damals der rasche Verlauf der Krankheit gemacht, sagt Séveric Yersin, Historiker an der Universität Basel: «Menschen konnten am Morgen gesund zur Arbeit gehen, und Anfang Nachmittag waren sie tot.»

Für seinen Kollegen, Patrick Kury, waren die damaligen Verhältnisse nicht mit der jetzigen Lage zu vergleichen: «Heute bewegen sich medizinisches Wissen, länderübergreifende Zusammenarbeit und koordinierende Massnahmen auf einem völlig anderen Niveau», so der Basler Historiker.

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