Sommer, Sonne und keine Massnahmen gegen das Coronavirus – die Pandemie scheint schon beinahe in Vergessenheit geraten zu sein. Dabei ist das Virus längst nicht verschwunden, wie beispielsweise ein Blick nach Portugal zeigt. Dort wird die Hoffnung auf einen Corona-freien Sommer durch explodierende Fallzahlen getrübt.
Über 30’000 Neuinfektionen werden derzeit pro Tag registriert, die 7-Tage-Inzidenz hat sich seit Anfang Mai quasi verdreifacht, Virologen warnen vor bald 60’000 neuen Fällen täglich.
Schuld daran: Die Omikron-Subvarianten BA.4 und BA.5. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) warnen vor einem Wiederanstieg der Fallzahlen, die Varianten sind bereits auf der Liste der «besorgniserregenden Varianten» aufgeführt.
Keine schwereren Fälle
Auch hierzulande ist ein Anstieg der beiden Varianten BA.4 und BA.5 in mehreren Regionen zu beobachten. Rollt hier etwa eine Sommer-Welle auf die Schweiz zu? Möglich! «Eine neue Welle von Infektionen während der Sommermonate kann angesichts der neuen Untervarianten nicht ausgeschlossen werden», sagt Simone Buchmann vom Bundesamt für Gesundheit zu Blick.
Ein genereller Anstieg von Infektionen und lokale Infektionsausbrüche sei deshalb möglich. Konsequenzen könne dies insbesondere für ungeimpfte, besonders gefährdete Personen haben.
Einen Massnahmen-Sommer à la 2020 erwartet das BAG aber nicht. Buchmann zu Blick: «Derzeit gehen wir nicht davon aus, dass die neuen Virusvarianten weitere Massnahmen erfordern. Wir erwarten auch nicht, dass die neuen Untervarianten das Gesundheitssystem schweizweit erheblich belasten werden». Denn: «In Populationen mit einem hohen Grad an Immunität scheint sie nicht zu schwereren Fällen zu führen als BA.1 oder BA.2».
Weltärzte-Chef fordert gute Vorbereitung für den Herbst
Zwar können die neuen Varianten dank Mutationen am Spike-Protein die Immunantwort besser umgehen als ihre Vorgängervarianten, aber auch der ehemalige Basler Kantonsarzt Thomas Steffen (61) sieht keinen Grund zur Sorge. «Die Varianten sind nach heutigem Wissensstand nicht gefährlicher als die zurzeit vorherrschende Omikron-Variante». Auch Steffen ist der Meinung, dass ein Anstieg im Sommer möglich ist. Eine Welle hält er aber für unwahrscheinlich. Auch einen neuen Lockdown oder eine Verschärfung der Massnahmen sieht er aber ebenfalls nicht auf uns zukommen.
Anders tönt das aus Deutschland: Der Vorsitzende des Weltärztebunds, Frank Ulrich Montgomery (70), hat mit Blick auf die steigenden Corona-Infektionszahlen in Portugal vor einer Ausbreitung der Omikron-Variante BA.5 in Deutschland gewarnt. «Corona ist noch nicht vorbei – das belegt der heftige Ausbruch von Omikron in Portugal», sagte Montgomery der «Rheinischen Post».
«Im Infektionsschutzgesetz muss der Werkzeugkasten definiert und erhalten bleiben: von Maskenpflicht bis Lockdown – bundeseinheitlich und klar geregelt», forderte er. «Je klüger wir uns jetzt verhalten, umso weniger drastische Massnahmen brauchen wir in Herbst und Winter. Freiwillig Maske tragen, wo auch immer viele Menschen zusammenkommen. Impfen, jetzt erst recht. Und nicht Freiheit gegen Sicherheit ausspielen», sagte Montgomery.