Er hat Angst, ist verzweifelt. Mit einer Sauerstoffmaske im Gesicht liegt ein Patient im Berner Lindenhofspital auf der Intensivstation. Das Atmen fällt ihm schwer. Er hofft, dass er Corona überlebt. Dass es so weit kommen musste, bereut er – und wie. «Ich bin selber schuld, dass ich mich nicht habe impfen lassen. Sonst hätte ich das vielleicht nicht», sagt er in einem Beitrag der SRF-«Rundschau».
Während dieser Patient um sein Leben kämpft, hat es Richard Wüst bereits geschafft. Er hat Corona überlebt. Um ein Haar wäre der Senior aber gestorben. Er lag sogar im Koma. «Ich bin urfroh, dass ich wieder da bin. Ich habe nicht gewusst, ob ich wieder auftauche», sagt er zur «Rundschau».
Die Krankheit hat ihn schwer gezeichnet. Fit ist Wüst ganz und gar nicht. Seine Hände zittern, während er spricht. Er wirkt stark geschwächt. Auch er bereut, dass er sich nicht impfen liess. Dass ihn Corona so umhaut, ja ihn fast tötet, hätte er sich nicht vorstellen können. Nun muss Wüst in die Reha, sich zurückkämpfen in sein altes Leben.
Ärzte und Pfleger sind derweil am Anschlag. Immer mehr Corona-Patienten werden eingeliefert, müssen versorgt werden. Inzwischen fehlt bei vielen die Kraft. Sie machen Überstunden, opfern sich auf. Schon wieder!
«Wir sind müde und mögen nicht mehr»
Vor einem Jahr habe man gehofft, dass die Situation mit der Impfung eine andere sein wird, berichtet Andrea Müller, Intensivpflegefachfrau am Lindenhofspital. Ein Trugschluss. Sie kümmere sich hauptsächlich um ungeimpfte Corona-Patienten. «Das ist mein Alltag, meine Realität.» Umso frustrierter ist sie, dass Corona-Skeptiker nicht glauben wollen, wie voll die Intensivstationen sind, wie sehr Ärzte und Pflegekräfte am Limit sind.
Das empfindet auch Jan Wiegand, ärztlicher Leiter Intensivstation Lindenhofspital, so. Und er ist enttäuscht, weil es ein Eigengoal mit Ansage war. Man hätte die jetzige Situation in den Spitälern verhindern können. Man habe es aber nicht geschafft, die Impfquote auf ein genügendes Niveau zu bringen.
Inzwischen sei die Bereitschaft, die Motivation der Ärzte und Pflegekräfte, alles zu geben und Freizeit zu opfern, nicht mehr so gross wie früher. «Wir haben weniger Personal, wir sind müde und mögen nicht mehr», sagt er zur «Rundschau».
Intensivstationen zu 81 Prozent ausgelastet
Tatsächlich waren die Intensivstationen in der Schweiz seit Ausbruch der Pandemie noch nie so stark belegt wie jetzt. Das zeigt der neueste Bericht vom Bundesamt für Gesundheit (BAG)
Die Auslastung stieg auf 81 Prozent. Im Durchschnitt mussten 273 Covid-Patientinnen und -Patienten intensivbehandelt werden, 15 Prozent mehr als eine Woche zuvor. Sie belegten rund 40 Prozent der verfügbaren IPS-Betten, nach 35 Prozent in der Vorwoche.
Aktuell bestehe in den Spitälern zwar noch keine Triage-Situation, teilte Schweizerische Gesellschaft für Intensivmedizin (SGI) mit. Das werde erst der Fall sein, wenn es national keine freien Intensivbetten mehr gebe. Allerdings müssten bereits jetzt in den meisten Spitälern nicht-dringende Operationen und Behandlungen verschoben werden. (jmh/SDA)