Es ist das Schelmenstück der Woche: Johann Rupert, der reichste Mann Südafrikas, liess sich im Thurgau gegen Covid-19 impfen. Er bekam das Vakzin noch vor allen Einheimischen, sogar früher als Alte und Kranke, wie der «Tages-Anzeiger» berichtete.
Möglich wurde dies, weil der Thurgau das Corona-Impfwesen an die Hirslanden-Gruppe delegiert hat. Das Unternehmen hatte vor dem offiziellen Impfstart zwei Ampullen für die Testphase erhalten.
Auflagen des Kantons, wer damit geimpft werden soll, gab es nicht. «Ich sagte Ja und dachte, sie impfen sich gegenseitig oder das Personal im Impfzentrum oder im Spital», verteidigt sich der kantonale Gesundheitsdirektor Urs Martin in der «Thurgauer Zeitung». Die Privatklinikgruppe Hirslanden ist Martins früherer Arbeitgeber. Er beteuert, nicht gewusst zu haben, dass Rupert unter den Testpersonen sei.
Ende Woche wurde zudem bekannt, dass kein anderer Kanton weniger Menschen pro 100 Einwohner geimpft hat als der Thurgau. Dafür kam ausgerechnet ein Milliardär zum Handkuss ...
Prioritätenfolge müsse eingehalten werden
«Die Empörung ist nachvollziehbar», sagt Lukas Engelberger, Präsident der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren (GDK) im Gespräch mit SonntagsBlick: «Die Corona-Impfung ist nicht käuflich.»
Es sei entscheidend, das Vertrauen der Bevölkerung zu schützen und sicherzustellen, dass die Prioritätenfolge bei den Impfungen eingehalten werde. Wer beim Anmeldeprozess auf Hürden stosse oder zu einer Gruppe gehöre, die noch warten muss, sollte sich darauf verlassen können, nicht übervorteilt zu werden.
Der GDK-Präsident spart nicht mit Kritik: «Die politischen Verantwortungsträger sind dafür verantwortlich, dass die Impfregeln eingehalten werden.» Deshalb müssten sich Unternehmen mit solchen Aufträgen an die Vorgaben halten und dies dokumentieren. Es sei aber, so Engelberger, der einzige derartige Fall, den er kenne.
Die Hirslanden-Gruppe betreibt auch in Baar ZG ein Impfzentrun. Und kommende Woche eröffnet sie in Genf einen weiteren Ableger, wie das Klinik-Unternehmen gegenüber SonntagsBlick bestätigt. Weitere Verhandlungen seien im Gange.
Kantone können Impfungen frei organisieren
Für Aussenstehende wirkt befremdlich, dass Kantone die Covid-Impfung überhaupt an Privatfirmen abtreten. Auch Basel-Stadt, als dessen Gesundheitsdirektor Engelberger amtet, hält es so. Die Kantone seien frei darin, wie sie die Impfungen organisieren, betont er. Organisationen wie das Unispital, die bereits am Limit arbeiten, würden auf diese Weise nicht zusätzlich belastet. Der Einbezug frischer Kräfte könne sinnvoll für das Gesamtsystem sein.
Basel-Stadt erlaubte seinem privaten Betreiber allerdings keine Testphase. Ein solches Warm-up, wie eine Umfrage von SonntagsBlick zeigt, wurde längst nicht überall durchgeführt. Bern, Jura, Graubünden, Tessin, Uri, Schwyz und Nidwalden verzichteten darauf: Man vertraue den Studien der Hersteller und dem Prüfverfahren von Swissmedic, heisst es aus Nidwalden.
Das Gros der Kantone aber testete die Abläufe und den Umgang mit dem Impfstoff. Geimpft wurde in der Regel eine kleine Anzahl an Risikopersonen oder Gesundheitspersonal. Luzern liess Polizei und Feuerwehrleute zum «Stresstest» antraben. Nur der Thurgau erteilte seinem Betreiber einen Blankoscheck. Das Resultat ist bekannt ...