«Mit der Petition wird der Kanton zum Handeln gezwungen»
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Edith Leibundgut:«Mit der Petition wird der Kanton zum Handeln gezwungen»

Corona-Chaos an Berner Schulen
«Regierungsrat Schnegg durchseucht unsere Kinder mit Gewalt»

In Bern nehmen Corona-Ausbrüche bei Schülern zu. Prekär ist die Lage auch in anderen Kantonen. Jetzt denkt die oberste Lehrerin der Schweiz an eine Maskenpflicht für alle Schulen.
Publiziert: 21.11.2021 um 14:40 Uhr
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Aktualisiert: 21.11.2021 um 14:41 Uhr
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Anfang September stoppte der Berner Gesundheitsdirektor Pierre Alain Schnegg die Massentests an den Schulen.
Foto: keystone-sda.ch
Camille Kündig und Danny Schlumpf

Mit Verweis auf eine tiefe Corona-Inzidenz stoppte der Berner Gesundheitsdirektor Pierre Alain Schnegg (58) Anfang September die Massentests an Schulen. Dass die Zahlen falsch waren, vertuschte der Regierungsrat. SonntagsBlick deckte den Skandal auf, doch Schnegg liess sich nicht von seinem Weg abbringen. Erst wenn es Kranke gebe, solle getestet werden. Ausbruchstestungen seien viel schneller und effektiver als Massentests, argumentierte Schnegg.

Jetzt versinken die Berner Schulen im Corona-Chaos. Täglich werden neue Ausbrüche bekannt. «Es ist unfassbar», sagt die dreifache Mutter Alexandra Winkler (45) aus der Stadt Bern, «Regierungsrat Schnegg durchseucht unsere Kinder mit Gewalt!» Vor zwei Wochen wurde Winkler infiziert, durch eine Klassenkameradin ihrer Tochter Laura (7).

Kurz darauf steckte Winkler ihren zweijährigen Sohn Ilay an. Die doppelt geimpfte Mutter und das Kleinkind erkrankten schwer, kämpften mit hohem Fieber und Erstickungsanfällen. Winkler: «Ohne Impfung wäre ich jetzt auf der Intensivstation.»

Die Mutter kontaktierte sofort die Schule. Doch die beschied ihr, Handlungsbedarf bestehe erst ab drei positiven Fällen pro Klasse. Tatsächlich war das die Vorgabe des Kantons fürs Ausbruchstesten. Allerdings kann es ohne Massentests lange dauern, bis drei Fälle offiziell registriert werden, wenn überhaupt. Deshalb sind auch die bisher vermeldeten 261 Ausbrüche im Kanton Bern nur ein schwaches Abbild der Realität.

Tests erst zwei Wochen nach dem Ausbruch

In der Berner Stadtschule, die Alexandra Winklers Kinder besuchen, sind mittlerweile 17 von 24 Klassen betroffen und 71 Schüler infiziert. Das Virus wütet völlig unkontrolliert, trotzdem findet der Unterricht statt, als ob nichts wäre.

Eine Maskenpflicht gibt es erst seit letztem Montag – ab der fünften Klasse. Und die vermeintlich schnellen Ausbruchtstestungen? Die erste Serie fand am Donnerstag statt – zwei Wochen nach dem Ausbruch!

«Das Ausbruchstesten ist weder schnell noch effektiv», sagt die Berner Grossrätin Sarah Gabi Schönenberger (43). Sie hatte Anfang September in einer dringlichen Motion die Fortführung der Massentests, Maskenpflicht und CO2-Messgeräte in den Klassenzimmern gefordert. Bloss: Ihr Vorstoss wird erst im Dezember behandelt. «Wir Parlamentarier haben keine Mittel, um rechtzeitig zu reagieren», sagt die SP-Politikerin. «Das ist frustrierend.»

«Die Schule hat mir mit der Kesb gedroht»

Künftig sollen im Kanton Bern die Testungen nach zwei Fällen erfolge. Das dürfte indes wenig ändern, wenn der Kanton schon mit der längeren Vorlaufzeit überfordert ist, die ab drei Infektionsfällen gilt. Deshalb wollen immer mehr verängstigte Eltern ihre Kinder nicht mehr in die Schule schicken, wenn dort das Virus wütet.

Doch das ist schwierig, wie Alexandra Winkler erleben musste: Ende 2020 kam es in der Schule ihrer Kinder schon einmal zu einem Ausbruch. Sie wollte die Kleinen zu Hause lassen: «Da hat mir die Schule mit der Kesb gedroht.»

«Das ist unverhältnismässig», stellt Felix Uhlmann (51) fest, Staatsrechtsprofessor an der Uni Zürich. Er sagt aber auch, besorgte Eltern dürften ihre Kinder bei einem Ausbruch nicht einfach daheim behalten: «Abgewogen werden muss zwischen der Schulpflicht des Kindes und seiner Gesundheit genauso wie derjenigen seiner Familienmitglieder.»

Maskenpflicht zur Entschärfung?

Wie entscheidet in solchen Fällen ein Gericht? «Da würden verschiedene Aspekte analysiert», sagt Uhlmann. «Wie viele Schüler krank sind, welche Schutzmassnahmen umgesetzt werden oder wie lange die Eltern ihr Kind nicht in die Schule geschickt haben. Geht es nur um ein bis zwei Tage, ist die Lage anders, als wenn das Kind eine Woche lang dem Klassenzimmer fernbleibt.»

Auch an den Schulen anderer Kantone spitzt sich die Lage zu. Braucht es jetzt eine Maskenpflicht für alle Schüler und Lehrkräfte? «Ich bin keine Medizinerin», sagt Dagmar Rösler (49), oberste Lehrerin der Schweiz. Sie sei sich bewusst, dass es Eltern und Lehrkräfte gebe, die gegen die Maskenpflicht seien. «Aber wenn wir mehr Schutz brauchen und Eltern ihre Kinder nicht mehr zur Schule schicken wollen, ist die Maske ein Instrument, um die Situation zu entschärfen.»

In der Klasse von Alexandra Winklers Tochter wurden schon mehrere Schüler positiv getestet. Der Unterricht läuft weiter. Die Mutter ist hilflos: «Der Kanton spielt Roulette mit unseren Kindern. Und wir können nichts dagegen tun.»

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