Bundes-Experten äussern sich zur neuen Virusvariante
«Mit Omikron in der Schweiz ist zu rechnen»

Experten des Bundes äussern sich zur Omikron-Virusvariante. Es sei davon auszugehen, dass es in der Schweiz womöglich bereits einen Fall gebe. Bis zu den Feiertagen könne die Variante nicht dominant werden, doch möglicherweise brauche es zusätzliche Massnahmen.
Publiziert: 28.11.2021 um 03:46 Uhr
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Aktualisiert: 30.11.2021 um 19:04 Uhr
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Die neue Omikron-Virusvariante aus dem südlichen Afrika löst weltweit Besorgnis aus. (Illustration)
Foto: picture alliance

In der Schweiz ist bis am Sonntagmorgen noch kein Omikron-Verdachtsfall bekannt. Die Bundesbehörden sind jedoch auf der Hut. Die Virusvariante führte bereits zu eilig anberaumten Sitzunge, führende Behördenvertreter nehmen Stellung.

Für Tanja Stadler (40), Chefin der wissenschaftlichen Taskforce des Bundes, ist klar: «Dass Omikron den Weg in die Schweiz findet, damit ist zu rechnen». Noch verfüge die Schweiz über ein «Zeitfenster, das wir nützen müssen, um uns vorzubereiten», sagt Stadler im Gespräch mit der «NZZ am Sonntag».

Wie gefährlich die Virusvariante sei, wisse man noch nicht. «Was man weiss, ist, dass sich sowohl Genesene wie auch Geimpfte mit der neuen Variante angesteckt haben. Und dass Omikron sich in Gebieten durchgesetzt hat, wo Delta vorherrschend ist.» Delta ist auch die in der Schweiz dominante Variante.

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Neue Maskenpflicht?

Bis zu den Feiertagen sei kaum mit einer Omikron-Welle zu rechnen. Vorerst gelte es, Delta in den Griff zu bekommen, sagt Stadler - «bevor uns allenfalls Omikron vor noch grössere Herausforderungen stellt». Das erfordere mehr Impfungen und Booster. Die Taskforce-Chefin fordert zudem mehr Masken: «Aus meiner Sicht braucht es nun vor allem überall in Innenräumen Masken.»

Stadlers Taskforce-Kollege Richard Neher will nicht ausschliessen, dass die neue Variante bereits den Weg in die Schweiz gefunden hat: «Irgendwo in der Schweiz haben wir vielleicht bereits einen Fall», sagt Neher im Interview mit der «Sonntagszeitung». Abschottung schütze nur für einen kurzen Moment: «Langfristig macht es keinen Sinn, denn wenn sich die Variante durchsetzt, dann tut sie das sowieso.» Reiseverbote würden eine Einschleppung lediglich verlangsamen.

Bei der gegenwärtigen fünften Welle werde die neue Mutation aus Südafrika aber «kaum eine grosse Rolle spielen», sagt Neher. «Selbst wenn sich die Zahl der neuen Viren alle 10 Tage verdoppelt, werden sie in der Schweiz frühestens Ende Januar einen massgeblichen Anteil an der Gesamtzahl der Viren haben.» Bis dahin dürfte die fünfte Welle ihren Höhepunkt überschritten haben.

Weihnachten und Neujahr retten

Es gibt laut Neher zwar Indizien, dass die bestehende Impfung weniger gut vor neuen Varianten schützt als vor den Originalvarianten. «Aber der Schutz durch die aktuellen mRNA-Impfungen vor schweren Verläufen deckt ein breites Virenspektrum ab.» Er geht davon aus, dass man mit der bestehenden Impfung vor schweren Verläufen auch dann gut geschützt ist, wenn sich das Virus verändert. Das sei «bei Omikron vermutlich nicht anders». Hierzu gebe es in den nächsten Wochen mehr Daten.

Es gehöre jetzt «alles daran gesetzt, möglichst schnell möglichst vielen Menschen die dritte Dosis zu verabreichen», fordert Neher, um Weihnachten und Neujahr retten. Andernfalls herrsche über die Festtage «möglicherweise eine sehr unsichere Situation mit einschränkenden Massnahmen».

Reisen über Wintermonate erschwert

Auch Lukas Engelberger, Präsident der kantonalen Gesundheitsdirektoren, will rechtzeitig auf die neue Lage reagieren. «Es wäre aufgrund der vorliegenden Daten nicht überraschend», zitiert ihn die «NZZ am Sonntag», «wenn uns erneut eine grössere Veränderung im Pandemiegeschehen bevorstehen würde.» Es brauche nun ein grosses Mass an Flexibilität und möglicherweise zusätzliche Massnahmen.

Omikron macht Ferien im Ausland bereits schwieriger. Der Bund setzt immer mehr Länder auf die Quarantäneliste. Auch das Contact-Tracing wird wieder ausgebaut, wie der oberste Kantonsarzt Rudolf Hauri gegenüber der «NZZ am Sonntag» bestätigt: «Wenn ein allfälliger Zusammenhang mit der neuen Variante besteht, wird ab sofort viel umfangreicher getestet und das Contact-Tracing der Kantone ausgeweitet.»

Die Behörden seien alarmiert, so Hauri: «Die neue Variante hat derart viele und starke Mutationen, dass die Antikörper von Geimpften und Genesenen wohl nicht zuverlässig binden können.» Eine Aussage, die unter Virologen jedoch noch umstritten ist. (kes)

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