BLICK-Übersicht der Kantone zeigt: Über 400 Verfahren wurden eingeleitet
Corona-Betrüger ergaunerten rund 50 Millionen Franken

Die kantonalen Staatsanwälte führen über 400 Verfahren wegen Corona-Kreditbetrügern. Es geht um Dutzende Millionen Franken. Der Bund möchte viele Betrüger straffrei davonkommen lassen.
Publiziert: 31.08.2020 um 23:12 Uhr
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Aktualisiert: 01.09.2020 um 08:54 Uhr
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Zürich, Waadt, Genf und Luzern haben derzeit die meisten Betrugsverfahren.
Foto: BLICK Storytelling
Fabian Vogt

Hoffnung. Vielen Unternehmern ist diese in der Corona-Krise abhanden gekommen. Bis Bundesrat Ueli Maurer (69) Mitte März ein Programm vorstellte, mit dem rasch und unkompliziert Notkredite zu super Konditionen aufgenommen werden konnten. Plötzlich konnten wieder Angestellte entlöhnt, Mieten bezahlt und die Familie ernährt werden.

Ende Juli endete das Programm, und die Zahlen sind gewaltig: 136’117 Notkredite wurden laut dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) aufgenommen. Gesamtsumme: 16,8 Milliarden Franken! Selten hatte ein Schweizer Wirtschaftsprogramm einen derartigen Erfolg. Bloss: Einige nutzten die Notlagen anderer aus. Kriminelle profitierten davon, dass es so einfach wie wohl nie zuvor war, vom Staat Geld zu erhalten.

Mehr als 400 Verfahren

Eine Nachfrage von BLICK bei den Kantonen zeigt jetzt: Bisher wurden mehr als 400 Strafverfahren wegen Corona-Kreditbetrugs eingeleitet! Ende Juni waren es noch 132 Fälle. Die Schadenssumme ist nicht genau zu beziffern, weil viele Kantone keine Zahlen öffentlich machen wollen. Aus den Unterlagen, die BLICK vorliegen, wird aber klar: Der Staat wurde um rund 50 Millionen Franken betrogen! Alleine in Zürich wurden knapp 17 Millionen Franken ergaunert, in der Waadt waren es 11 Millionen. Im vergleichsweise kleinen Kanton Luzern waren es 6,5 Millionen. Bis auf den Kanton Appenzell Innerrhoden hat jeder Kanton mindestens ein Strafverfahren eröffnet.

Die Betrüger gehen dabei unterschiedlich vor. Manche beantragen mehrere Kredite bei verschiedenen Banken, manche geben das Geld statt für die Mitarbeiter für Luxus-Autos aus und manche kaufen bankrotte Firmen auf, für die anschliessend ein Kredit beantragt wird. Doch am beliebtesten ist die Umsatz-Betrugsmasche, wie BLICK von den kantonalen Staatsanwaltschaften erfährt: Unternehmer geben ihren Umsatz höher an, als er eigentlich ist. Da die Kredite an den Umsatz gebunden sind, erhalten sie mehr Geld. Einige erhielten so Zehntausende von Franken. Andere Millionen.

Kommen die Betrüger davon?

Ausgerechnet solche Betrüger will der Bund davonkommen lassen. Ein Fehler bei der Berechnung der erwarteten Kreditlimite könne rasch passieren, schreibt ein hochrangiger Seco-Mitarbeiter den Staatsanwälten. Würden die Gelder zurückerstattet werden, solle den Betrügern Nachsicht gewährt werden. Eine Meinung, die von den kantonalen Staatsanwaltschaften nicht geteilt wird. Man würde eine Wiedergutmachung beim Strafmass «gebührend berücksichtigen», sagt die Zürcher Staatsanwaltschaft zu BLICK. Grundsätzlich aber gehöre, «wer eine nationale Notlage und die Hilfsbereitschaft des Bundes gezielt ausnutzt, strafrechtlich konsequent verfolgt und bestraft».

Wie viel Geld der Bund am Ende durch die Kreditbetrüger verliert, ist noch nicht absehbar. Sicher ist: Die Staatsanwälte werden längere Zeit mit dem Thema beschäftigt sein. Laut Seco sind noch rund 850 potenzielle Missbrauchsfälle in Abklärung.

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