Ein «Knacki» – so bezeichnete er sich selbst – hatte sich an die Blick Romandie gewandt, um sich über die Küche hinter Gittern zu beschweren. Also machte sich Blick-Journalist Amit Juillard auf nach Orbe VD, um in die Töpfe und Pfannen zu schauen und auch vom Knast-Essen zu probieren.
In der Küche haben etwa 30 Männer ihre rote Knast-Uniform gegen ihren weissen Arbeitsanzug eingetauscht. Sie arbeiten sechs Tage in der Woche, von 7.20 Uhr bis 11.30 Uhr und von 13.30 Uhr bis 16.30 Uhr. Es ist kurz nach 10 Uhr. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Es müssen 800 Mäuler gestopft werden. An diesem Tag gibt es Tofu mit Petersilie für die Vegetarier, Fisch mit Kräutern – 800 Makrelenfilets à 220 Gramm – und Reis mit Gemüse – 75 Kilo Reis, 25 Kilo Gemüse – für die anderen.
Bei besonderen Anlässen wie dem Nationalfeiertag gäbe es auch mal etwas Besonderes. Einen Cervelatsalat, Käseschnitten oder einen Winzerbraten. Und auf den Nachtisch legen wir eine kleine Fahne mit weissem Kreuz. Dasselbe an Weihnachten. Da wurden schon Krabbencocktail, Entrecôte und Mousse au Chocolat serviert. Dass das Essen schlecht sein soll, kann Amit Juillard nicht verstehen.
«Der Zeitpunkt des Essens ist sehr wichtig»
In den Schränken liegen scharfe Messer in allen Grössen. Klingen, in den Händen von Männern, die möglicherweise wegen Gewalttaten verhaftet wurden.
«Wenn jemand mit einer Gabel in der Tasche erwischt wird, während er durch den Metalldetektor geht, bevor er in die Zelle zurückkehrt, ist das in der Regel ein Versehen», erzählt der Werkstattleiter. Er sagt, dass es natürlich auch Auseinandersetzungen und Materialdiebstähle gibt. Er betont aber auch: «Alles, was man in amerikanischen Serien sieht, gibt es hier nicht wirklich. Das ist ein anderer Massstab.»
Für die Essensvorbereitungen rechnen sie in der Küche mit einer Menge von 1,5 Tagesgerichten pro Person. Die Insassen treiben viel Sport und manche arbeiten auf dem Feld. «Der Zeitpunkt des Essens ist sehr wichtig: Das Essen muss warm und gut sein und es muss genug zu essen geben. Das kleinste Problem kann zu grossen Spannungen führen: Im Gefängnis wird alles verstärkt.»
«Spitze des Messers muss immer in Kontakt mit der Arbeitsfläche bleiben»
Blick-Journalist Amit Juillard hat einen Arbeitsplatz neben Jacques* bekommen, einem Mann Ende 30, der seit mehreren Jahren im Gefängnis sitzt. Hinter dem Stacheldraht macht er eine Ausbildung zum Koch. Einmal pro Woche, am Dienstag, kommt eine Lehrerin, um ihm den theoretischen Unterricht zu erteilen.
Draussen hatte er in der Luxushotellerie in einer Schweizer Grossstadt gearbeitet. Fleissig und fürsorglich nimmt er Juillard unter seine Fittiche. Hände waschen, Technik, um all dieses Gemüse richtig und effizient zu schneiden. «Die Spitze des Messers muss immer in Kontakt mit der Arbeitsfläche bleiben, so», veranschaulicht er und wirkt dabei etwas verlegen und schüchtern. «Achten Sie auf Ihren kleinen Finger, legen Sie ihn ganz senkrecht über den Sellerie.»
«Jetzt weiss ich, dass ich meine Strafe verdient habe»
Nach und nach erzählt Jacques von seinem Vergehen, spricht über die Geschichte seines kleinen Kindes, das er seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes und auf Wunsch der Behörden darf nicht weiter darüber erzählt werden. «In dieser Küche gibt es jedes Profil, das Sie sich vorstellen können. Ausser dem eines Serienmörders. Manche verbüssen ein paar Wochen, andere erhalten eine lebenslange Haftstrafe.»
«Am Anfang habe ich mich gewalttätig verhalten, weil ich nicht akzeptieren konnte, was ich getan hatte», erinnert sich Jacques. «Jetzt weiss ich, dass ich meine Strafe verdient habe, ich werde psychologisch betreut, es ist hart, aber ich schaue nach vorne und bereite mich auf die Zeit danach vor.» In Sicherheit. «Wenn ich draussen geblieben wäre, wäre ich jetzt tot.»
Jacques fühlt sich in Orbe gut aufgehoben. «Es ist der bestbezahlte Job im Gefängnis: Ich verdiene 36 Franken pro Tag. Einen Teil davon bekomme ich, damit bezahle ich zum Beispiel die Miete für den Fernseher, die Wäsche und die Zigaretten. Ein Teil geht auf ein Sperrkonto, damit ich genug Geld habe, wenn ich rauskomme.» Der Rest landet auf einem dritten Konto und wird zur Entschädigung des Opfers oder der Opfer, zur Unterstützung der Familie des Verurteilten und zur Erstattung der Gerichtskosten verwendet.
* Name geändert