Auf dem BLS-Netz gibt es an einigen Haltestellen keine Billettautomaten, etwa im Simmental. Wer dort einsteigt, konnte die Fahrt bisher beim Kondukteur im Zug bezahlen – ohne Servicezuschlag. Wie die «Berner Zeitung» berichtet, nutzen das Reisende zunehmend aus und spekulieren etwa in überfüllten Zügen darauf, nicht kontrolliert zu werden. Wenn sie dann trotzdem erwischt werden, können sie das Ticket ohne Zuschlag einfach nachkaufen, so die Überlegung.
Seit dem 1. Juni muss nun auch im Simmental beim Ticketkauf im Zug ein Servicezuschlag von 10 Franken bezahlt werden. Und in einem halben Jahr wird der Kauf beim Kondukteur bei der BLS nicht mehr möglich sein.
Bestimmte Linien besonders betroffen
Laut BLS hat das Problem in letzter Zeit insbesondere auf bestimmten Linien zugenommen, wie BLS-Sprecher Stefan Locher erklärt. Die BLS will dem Missbrauch einen Riegel schieben, «weil er auf Kosten jener geht, die ihr Billett ehrlich bezahlen».
Die BLS schätzt, dass ihr jährlich über 6 Millionen Franken durch Schwarzfahrer entgehen. Sie geht davon aus, dass rund 3 Prozent der Fahrgäste ohne Ticket unterwegs sind. Die neue Ticketpflicht soll dazu beitragen, diesen Verlust zu reduzieren.
Zunahme auch bei anderen Verkehrsbetrieben
Die Zeitungen von CH Media berichteten im April, dass auch andere Verkehrsbetriebe eine Zunahme von Schwarzfahrern verzeichnen. Demnach waren bei den Verkehrsbetrieben Zürich (VBZ) im vergangenen Jahr von rund 2,2 Millionen kontrollierten Reisenden rund 60'000 ohne Ticket unterwegs. Das sind 2,7 Prozent der kontrollierten Fahrgäste. 2021 war die Quote der erwischten Schwarzfahrer bei 2,6 Prozent, 2017 gar nur bei 0,92 Prozent. Bei Bernmobil waren 2,2 Prozent ohne gültiges Ticket unterwegs. 2018 lag die Zahl dort noch bei 1,8 Prozent. Bei den Basler Verkehrsbetrieben (BVB) liegt die Quote aktuell bei 3, vor fünf Jahren lag sie noch bei 2 Prozent. Bei der Postauto AG liegt die Quote sogar bei 4 Prozent. Zwischen 2017 und 2019 betrug diese Zahl um die 3 Prozent.
Die SBB haben die Ticketpflicht bereits 2011 eingeführt. Wer ohne gültigen Fahrausweis erwischt wird, muss neben dem Ticket eine hohe Strafe von mindestens 70 Franken bezahlen.
Branche verliert zweistelligen Millionenbetrag
Gemäss Zahlen von Alliance Swisspass waren 2019 im gesamten ÖV etwa 3 Prozent der Passagiere ohne gültigen Fahrausweis unterwegs. Demnach entgeht der Branche jährlich ein zweistelliger Millionenbetrag.
Die SBB haben die Ticketpflicht bereits 2011 eingeführt. Wer ohne gültigen Fahrausweis erwischt wird, muss neben dem Ticket eine hohe Strafe von mindestens 70 Franken bezahlen.
Schwierigkeiten mit Check-in-Systemen
Das Ticket muss auch bei Verwendung von Check-in-Systemen wie Fairtiq vor der Zugabfahrt gelöst werden. Die Verkehrsbetriebe stellen auch in diesem Bereich vermehrt Betrugsversuche fest. So checken Reisende etwa vorzeitig aus, sobald sie kontrolliert wurden.
Einige Leute suchen gemäss BLS-Sprecher Locher immer wieder neue Schlupflöcher. Anhand der Bewegungsprofile können die Verkehrsbetriebe jedoch feststellen, wenn jemand vorzeitig auscheckt. Die Zugbegleiter erhalten in solchen Fällen einen Hinweis auf ihrem Kontrollgerät und können den betreffenden Passagier abermals überprüfen. Weil gewisse Leute auch erst ein Ticket kaufen, wenn eine Kontrolle kommt, zeigen die Kondukteure bei verspätetem Check-in weniger Kulanz.
Folgen der Corona-Pandemie
Wegen der Corona-Pandemie sind die Abonnementsverkäufe eingebrochen. Im Gegensatz dazu stieg der Verkauf von Einzeltickets deutlich an, laut der Branchenorganisation Alliance Swisspass um über 56 Prozent im Vergleich zu 2019. Dieser Trend ist eine weitere Erklärung dafür, weshalb die Betreiber nun strenger kontrollieren.
An den Stationen ohne Billettautomat bietet die BLS mit einer Ausnahmelösung jenen Passagieren Hand, die kein Ticket in der App oder im Internet kaufen können: Kunden können hier ihr Ticket weiterhin ohne Zuschlag beim Zugpersonal kaufen, wenn sie sich noch vor dem Einsteigen aktiv beim Begleitpersonal melden. (noo)