Hans Aeschbacher (68) wohnt schon sein ganzes Leben lang in Muri bei Bern im Ortsteil Gümligen. Immer auf dem gleichen Bauernhof, in vierter Generation. In der Stube des Wohnhauses, das er wegen den alten Holzbalken und Giebeln liebevoll «Lebkuchenhaus» nennt, sagt er zu Blick: «Hier werde ich bis zu meinem Lebensende bleiben.»
Wie er wuchsen auch seine drei Kinder hier auf. Sie schlugen den Hockeyball auf dem Hof oder halfen mit den Tieren. Doch diese Zeiten sind vorbei. Heute wohnt der pensionierte Bauer noch mit einem Sohn, den drei Katzen Sami, Nero und Chefli und einem Dutzend Hühnern hier. Seine Frau Marianne verstarb letztes Jahr, und seine anderen Söhne sind in die Stadt gezogen. Der Betrieb bleibt ohne Nachfolger. «Das ist schade», sagt er. Aber: «Hauptsache, wir können hier weiterhin leben.»
Seiner Frau zuliebe blieb er
Aeschbachers Kinder sind keine Ausnahme. In Muri ist die Fluktuation der Bevölkerung hoch. In den letzten fünf Jahren hat rund die Hälfte der Einwohnerschaft komplett gewechselt: 4529 sind in dieser Zeit weg- und 4812 zugezogen. Nur noch jeder zwölfte Einwohner ist auch dort geboren. Ähnlich sieht es in allen grossen Städten und Agglomerationen aus. Im Gegensatz zum Oberwallis, wo die Schweizer und Schweizerinnen so heimattreu sind wie sonst nirgends (SonntagsBlick berichtete).
Aeschbacher gehört zu den wenigen Heimattreuen in der Vorortsgemeinde von Bern. Er fühlt sich tief verbunden mit diesem Ort mitten im Grünen, mit Blick auf die Alpen, nur einen Katzensprung von der Aare entfernt. Hier bewirtschaftete er 40 Jahre lang über 30 Hektar mit Getreide, Kartoffeln, Kürbissen und Essiggurken, bildete Landwirtschaftslehrlinge aus und beherbergte zeitweise über 100 Tiere: Kühe, Schweine und Pferde. Und das obwohl ein kleiner Teil von ihm immer Sehnsucht nach der Ferne hatte, er wollte nach Kanada auswandern. Doch das blieb ein Traum. «Auch wegen meiner Frau», sagt er. «Marianne liebte den Ort hier. Ihr grösster Wunsch war es, dass ich unser Leben hier weiterführe und unseren Söhnen und Enkeln weiterhin das Gefühl von Heimat ermögliche.»
Jüngere ziehen fort
Muri ist eine Gemeinde von Grossmüttern und Grossvätern. 27 Prozent der Bevölkerung sind über 60 Jahre alt. Die Jüngeren ziehen eher fort. Die Gemeindeschreiberin Karin Pulfer (61) weiss, weshalb, sie sagt: «Die Mietpreise in der Gemeinde sind zum Teil überdurchschnittlich hoch.» Im Vergleich zur Gemeinde Worb, die etwas weiter weg liegt, zahlt man auf den Quadratmeter einer Eigentumswohnung rund 2000 Franken mehr. Grund für die höheren Preise in Muri seien die gute Lage mit der Nähe zur Stadt Bern und zum umliegenden Naherholungsgebiet, sagt Pulfer. Hinzu kommen die vielen im Unterhalt teuren Einfamilienhäuser. «Das alles macht es natürlich für junge Menschen und Familien schwieriger, Fuss zu fassen.» Auch Aeschbacher weiss von einem Dutzend Bekannten, die nach dem Auszug der Kinder gingen, weil sie es sich nicht mehr leisten konnten.
Und so kommen Besserverdienende aus der Stadt her, die die gute Anbindung an Bern mit dem Tram und die grüne Umgebung schätzen. Genauso wie den Steuerfuss – er gehört zu den niedrigsten im ganzen Kanton.
Neuzuzüger bringen frischen Wind ins Dorf
Aeschbacher sieht Vorteile im Kommen und Gehen. Die Gemeinde Muri besteht aus den beiden Ortsteilen Muri und Gümligen. Früher hätten in Muri die Ärzte, Juristen und Banker gelebt, in Gümligen die Arbeiter und Bauern. «Durch die vielen Neuzuzüger haben sich die sozialen Schichten durchmischt», sagt er.
Sie bringen auch frischen Wind in die Politik. «Viele der Städter, die zu uns ziehen, werden schnell politisch aktiv.» Man merke das, weil sie meist weniger bürgerlich, eher grün-liberal eingestellt seien. Erst im September dieses Jahres wurde über eine Initiative der SP und Grünen abgestimmt, die günstigeren Wohnraum garantieren wollte. Sie wurde knapp abgelehnt.
Corona hat die Entwicklung noch verstärkt. Gerade hat die Stadt Bern bekannt gegeben: Muri gehört zu den drei Lieblingszuzugsgemeinden der Stadtberner.
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