Mit leerem Blick schaut Alex Sousa Rikanović (25) in Steffisburg BE auf den Fluss, der letzten Freitag seinen Cousin Lorenzo* (9) mitgerissen hat. Seither wird der Bub vermisst. «Er war für mich wie ein Bruder», sagt der junge Musiker und kann die Tränen kaum zurückhalten. «Er wollte Künstler werden, hat immer gemalt und auf meine Beats gerappt. Ich will, dass er all seine Träume noch verwirklichen kann. Das darf nicht das Ende sein.»
Als das Unglück an dem Nebenarm der Aare passierte, war niemand der Familie dabei. «Eigentlich sollte er beim Jugendtreff sein, wo er unter Aufsicht hätte spielen können. Doch er und ein Kollege kamen offenbar auf den Gedanken, an die Zulg spielen zu gehen», berichtet der verzweifelte Angehörige. «Bei der Eisenbahnbrücke ist ihnen dann der Ball ins Wasser gefallen und sie haben ihn am Ufer mitverfolgt, bis er schliesslich stecken geblieben ist.»
Der Bub wollte den Ball holen
Er zeigt auf eine kleine Schwelle, wo sich Schwemmholz sammelt: «Dort haben wir den Ball gefunden. Der Spielkamerad hat uns erzählt, dass mein Cousin den Ball holen gehen wollte und er am Ufer gewartet habe.» Plötzlich sei der junge Portugiese jedoch aus dem Blickfeld seines Freundes verschwunden. Eine Passantin habe bemerkt, dass etwas nicht stimme. Sie habe sofort die Polizei alarmiert, die seither im trüben Wasser nach dem Buben sucht - bislang ohne Erfolg.
Die letzte Sichtung sei in Münsingen BE gewesen. Die Familie erlaubt Blick ein Foto des 9-Jährigen in einem blauen Portugal-Trikot unverpixelt zu zeigen. Genau dieses Shirt soll er auch bei seinem Verschwinden getragen haben, darüber eine dunkelblaue Regenjacke. Die Bitte des Cousins dazu: «Wer etwas Blaues oder türkisfarbenes im Wasser sieht, soll das bitte der Polizei melden. Wir wollen aber nicht, dass sich jemand in Gefahr begibt. Es darf kein weiterer Unfall passieren!»
Grosse Suchaktion mit Freiwilligen
Die Ungewissheit quält derweil die Familie. Rikanović hat darum zusätzlich eine private Suchtruppe mit Freiwilligen ins Leben gerufen. Am Donnerstag suchen diese das Ufer mit Spürhunden und Drohnen ab.
Beteiligt an der Aktion ist auch Nico Hajdaraj (33), der in Oberentfelden AG eine Sicherheitsfirma führt. Durch einen Kollegen habe er von dem Unglück erfahren und sei sofort gewillt gewesen, mit seinem Team zu helfen.
Die Hoffnung stirbt zuletzt
«Ich war 15 Jahre alt, als ich ein ähnliches Erlebnis hatte. Mein Cousin war beim Baden in einem See plötzlich für sechs oder sieben Stunden verschwunden», begründet der Aargauer sein Engagement. «Zum Glück konnte er sich an Land retten. Ich kann nachfühlen, wie schlimm die aktuelle Situation für die Angehörigen ist.»
Für die grosse Hilfsbereitschaft ist Alex Sousa Rikanović unendlich dankbar. Mit traurigen Augen meint er: «Unsere Hoffnung, dass wir meinen Cousin lebend finden, stirbt zuletzt.»
*Name geändert