Besorgt blickt Beizerin Alessia De Lorenzis (23) von der Gelateria Intrigo aus auf die reissende Aare in Thun BE: Das Tief Bernd ist offensichtlich im Anmarsch. «Ich habe in den letzten drei Jahren nie gesehen, dass das Wasser so hoch steht», meint sie. «Wir haben Angst, dass das Geschäft überschwemmt wird. Wenn wir wieder schliessen müssten, wäre das nach Corona für uns finanziell eine Katastrophe.»
Die junge Geschäftsführerin des Familienbetriebs meint: «Jetzt hilft nur noch beten!» Zudem habe sie die Steckdosen abgeklebt, falls das Wasser eindringen würde – viel mehr könne sie aber wohl nicht machen.
Beizer hat Wasserpumpe angeschafft
Auch der Inhaber des Restaurant Del Padre am Thuner Mühleplatz ist am Montag damit beschäftigt, sich zu wappnen. Die Aare hat sich nämlich schon den Weg bis hin zu den Treppenstufen seiner Terrasse gesucht: Die Mülleimer stehen bereits am Mittag in etwa zehn Zentimeter tiefem Wasser.
«Ich habe eine Wasserpumpe und einen langen Schlauch angeschafft. Zudem haben wir alles, was am Boden gestanden hat, etwas in die Höhe gestellt», berichtet Flakeron Isaki (25). Seine Mitarbeiter würden sich und ihre Gummistiefel für den Ernstfall allzeit bereithalten. «Ich bin optimistisch, dass wir das überwinden werden.»
«Ich habe sehr grosse Angst»
Etwas weniger optimistisch zeigt sich Marco Ramseier (40) von der Kaffeebar Chillounge nebenan. «Ich habe sehr grosse Angst, weil ich mir etwa vorstellen kann, wie schlimm es werden kann», meint der Geschäftsführer. «Ich glaube, anderen ist noch nicht bewusst, wie viel Wasser da vermutlich auf uns zukommt.» Beim letzten grossen Hochwasser im Jahr 2005 habe der Mühleplatz etwa einen Meter unter Wasser gestanden, erinnert er sich.
Das will die Feuerwehr aber dieses Mal verhindern. Ramseier und auch die benachbarten Beizer müssen daher die Gartenmöbel noch am Montagabend wegräumen. Heinz Wegmüller (59) ist der Chef des Regionalen Führungsorgans (RFO) der Stadt Thun plus und erklärt diese Massnahme: «Wir haben Plastikelemente, die wir zum Hochwasserschutz mit Wasser füllen können. Diese werden wir am Abend quer über den Mühleplatz aufbauen.»
Kein Wunderknopf in Bern
Seit Freitag sei die Installation der Wassersperren im Gange. Da jedoch am Wochenende noch der grosse EM-Final gespielt wurde, habe man aus Rücksicht auf das öffentliche Leben mit dem Fertigstellen des Aufbaus bis zum letzten Moment abgewartet – doch jetzt sei es höchste Zeit.
Dem stimmt auch Bernhard Schudel (61), der Abteilungsleiter Gewässerregulierung des Kantons Bern, zu: «Alle Schleusen sind komplett offen. Mehr tun können wir nicht.» Erwartet werde, dass sich die Lage im Laufe der Woche hochschaukeln werde – und gemäss aktuellen Prognosen wohl oder übel zu einer Überlastung des Systems führen werde. «Wir haben leider auch keinen Wunderknopf in Bern, den wir noch drücken können.»
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