Ein Hotel im Berner Oberland, 2019: Eine Frau bucht mit zwei Kolleginnen einen Wellness-Tag, einschliesslich Massage. Sie liegt – nur im Slip und bedeckt von einem Tuch – bäuchlings auf der Massagebank. Ihr Masseur (47) soll laut Anklageschrift erst die Waden der Frau massiert haben, schliesslich das Tuch entfernt und ihren Slip heruntergezogen und intensiv ihr Gesäss massiert haben. Das schreibt die «Berner Zeitung» über den Gerichtsfall am Regionalgericht Berner Oberland.
Doch damit nicht genug: Der Masseur habe die Klägerin später aufgefordert, sich auf die Liege zu knien. Dabei habe er ihr erneut den Slip heruntergezogen, den Intimbereich der Frau massiert und geküsst. Schliesslich, so heisst es weiter, soll er sie aufgefordert haben, sich auf den Rücken zu legen, woraufhin er auch die Brüste der Frau massiert habe.
Psyche beeinträchtigt, kein Sexualleben mehr möglich
Am Gericht habe die Klägerin der Gerichtspräsidentin – unter Tränen – auch die Folgen der Tat beschrieben: Ihre Psyche sei beeinträchtigt, ein normales Sexualleben: nicht mehr möglich. Zudem habe sie im Frühling 2020 eine Psychotherapie nach 17 Sitzungen abbrechen müssen. Sie leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung.
Der Angeklagte, er wurde von der Gerichtspräsidentin separat angehört, wies alle Vorwürfe von sich. Er gab an, die 50-minütige Massage protokollgemäss durchgeführt zu haben. Es sei weder zu Berührungen noch zu Küssen im Intimbereich gekommen und auch die Brüste der Frau habe er nicht massiert – nur Körperstellen in der Nähe.
Nicht der erste Vorfall
Wie die «Berner Zeitung» schreibt, wurde der Masseur nur wenige Tag nach dem Vorfall von der Hoteldirektion suspendiert. Bereits zuvor hätten zwei Frauen Grenzüberschreitungen im Rahmen ihrer Massage mit dem betreffenden Masseur beklagt. Er ist mittlerweile in einem anderen Kanton als Masseur tätig.
Die Staatsanwaltschaft forderte in der Anklageschrift eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten und ein fünfjähriges Berufsverbot. Die Anwältin der Klägerin forderte einen Schuldspruch, Schadenersatz und Genugtuung ein. Ihre Mandantin habe sich in einem Vertrauensverhältnis zum Masseur befunden und sei widerstandsunfähig gewesen.
Kein Berufsverbot für Masseur
Der Verteidiger des Mannes plädierte auf Freispruch. Denn: Objektive Beweise für eine Straftat lägen keine vor, weil sich die Anklage bloss auf die Aussagen einer Frau abstütze. Zudem fragte er, weshalb ein Masseur mit 20 Jahren Berufserfahrung seine Zukunft aufs Spiel setzen solle.
Die Gerichtspräsidentin verurteilte den Masseur wegen Schändung zu einer bedingten zehnmonatigen Freiheitsstrafe, einer Genugtuung von 3000 Franken sowie Schadenersatz in der Höhe von knapp 740 Franken. Ein Berufsverbot gegen den Mann sprach sie allerdings nicht aus. (oco)