Neues Konzept im Thorberg
Berner Häftlinge müssen Aufnahmetest absolvieren

Nicht nur die Häftlinge, sondern auch die Mitarbeitenden des Gefängnis Thorberg zeigten sich in der Vergangenheit extrem unzufrieden. Nun führt der amtierende Direktor ein neues Konzept ein – dazu gehört ein Aufnahmetest.
Publiziert: 11.05.2022 um 13:45 Uhr
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In der Berner Justizvollzugsanstalt Thorberg müssen Häftlinge einen Aufnahmetest absolvieren.
Foto: Sobli

Auf dem Thorberg in Krauchthal BE landen Schwerverbrecher aus elf Kantonen. Neben Mördern sitzen dort Vergewaltiger und Diebe ein. Und diese waren noch vor wenigen Jahren extrem unzufrieden. Auch die Mitarbeiter gaben der Führung der Haftanstalt miserable Noten.

Der derzeitige Direktor des Thorbergs, Hans-Rudolf Schwarz, kündigte bei seiner Übernahme im Jahr 2020 deshalb Veränderungen an. Dieses Jahr geht Schwarz in Pension und die Neuausrichtung des Gefängnisses scheint vollendet. «Im Innern steht kein Stein mehr auf dem anderen», erklärt der Vollzugsdirektor gegenüber dem SRF.

Assessment-Center analysiert Häftlinge

Schon beim Eintritt in die Berner Anstalt ist die neue Struktur erkennbar. «Bisher wurden sie (die Häftlinge) irgendeiner Abteilung, irgendeinem Arbeitsplatz zugeteilt, ohne zu wissen, ob sie dafür geeignet sind», erklärt Schwarz. Mittlerweile wurde für die Straftäter ein sogenanntes Assessment-Center errichtet, in dem sie genauer unter die Lupe genommen werden.

«Dort wird geschaut, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten der jeweilige Gefangene hat, wie seine Sozial- und Kommunikationskompetenz und was seine Gefährlichkeit ist», sagt der Direktor zum Aufnahmetest. «Wir müssen wissen, woher er kommt, in welchen Umständen er lebte. Das ist zentral, um eine Verbindung schaffen zu können.»

Insassen können Berufslehren absolvieren

Im Thorberg gibt es seit der neuen Ausrichtung auch neue Arbeitsmöglichkeiten. So können die Häftlinge etwa eine Lehre als Bäcker, Koch oder Hausmeister absolvieren. Laut Schwarz muss dafür «die Berufsschule in den geschlossenen Vollzug» geholt werden. So soll den Kriminellen nach der Haft die Eingliederung in die Gesellschaft vereinfacht werden. Im Vordergrund stehe aber nach wie vor die Gewährleistung der Sicherheit.

Nebst den Berufsperspektiven ist im Berner Gefängnis auch Disziplin wichtig. «Ein Ziel ist, dass er (der Häftling) pünktlich ist oder Ordnung hat», erklärt Schwarz. Deshalb setze man Ziele, die wöchentlich überprüft werden. Dabei wisse jeder Insasse, wer an welchen Zielen arbeitet.

«Schwer zu finden in einem anderen Gefängnis»

Auch auf die Mitarbeitenden der Anstalt hat die neue Struktur einen Einfluss. «In der Vergangenheit hat der Gefangene dem Arbeitsmeister viel Privates erzählt, dem Sozialarbeiter aber nicht.» Neu sei ein Austausch zwischen den Fachkräften Standard. So soll auch die Arbeitsatmosphäre unter den Mitarbeitenden verbessert werden.

Die Neuausrichtung vom abtretenden Direktor Schwarz zeigt bereits erste Erfolge. So erklärt etwa ein Insasse, der Teil des Gefängnisrates ist und seit 2018 im Thorberg sitzt: «Bei jeder kleinen Auseinandersetzung musste der Insasse drei bis vier Tage in den Bunker.» Nun habe sich dies geändert und man sei zufrieden. Auch für die Möglichkeit, 24 Stunden mit der Familie zu kommunizieren, sei man dankbar: «Das ist sehr schwer zu finden in einem anderen Gefängnis.»

Frühere Direktoren hatten keinen Erfolg

Auch die Mitarbeiter sind froh über die neue Struktur. Hans Bernhard, der seit 19 Jahren auf dem Thorberg arbeitet, erklärt: «Das ist etwa die vierte Reorganisation, die ich durchmache.» Die neue Struktur sei aber gut, da das Gefängnis in der Vergangenheit sehr altmodisch geführt wurde: «Man sprach etwa sehr viele Arreststrafen aus und keine, bei denen man verhandeln konnte.»

Die letzten Direktoren des Thorbergs hatten weniger Erfolg in ihrem Job. So musste 2014 der damalige Direktor gehen, weil er auf einem Drogenstrich verkehrte und so als erpressbar galt. Sein Nachfolger verliess die Anstalt 2019, nachdem die Mitarbeitenden ihm ungenügende Aufsicht und Führung vorgeworfen hatten. (obf)


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