An Krücken humpelt Daniela S.* (55) zur Haustüre, den Fuss in einer Schiene. Doch die beiden gebrochenen Zehen sind nur die Spitze des Eisbergs. «Das Schicksal meinte es nicht gut mit mir», meint die Oberaargauerin im Gespräch mit Blick und hinkt langsam zurück ins Wohnzimmer. «Immer, wenn ich dachte, dass es nicht noch schlimmer werden kann, passierte wieder etwas.»
Die gelernte Hochbauzeichnerin leidet schon seit vielen Jahren an der chronischen Nervenkrankheit Multiple Sklerose (MS). «Manche sagen, diese Krankheit sei irgendwann ihr Freund geworden. Aber das kann ich bei mir nicht sagen: Ich habe lediglich gelernt, damit zu leben», erzählt sie. «Meine Hände sind taub und ich bin schlecht zu Fuss, zudem habe ich oft Rückenschmerzen und Erschöpfungszustände.»
Schock-Diagnose bei Mutter
Zuletzt sei sie noch als Logistikerin tätig gewesen, doch seit einigen Jahren könne sie leider nicht mehr arbeiten. «Die Arbeit aufzugeben, machte mir schwer zu schaffen», sagt sie. Bis heute hofft sie auf eine Rückkehr in den Arbeitsmarkt. Doch was sie zum damaligen Zeitpunkt noch nicht ahnte: Die Krankheit sollte in den folgenden Jahren nur einer von vielen Schicksalsschlägen sein.
«Im April 2020 verletzte sich meine eigentlich noch sehr fitte Mutter bei einem Sturz. Bei der Untersuchung wurden dann nebst einer Schulterverletzung auch noch Lungen- und Brustkrebs festgestellt», erinnert sie sich an die Schock-Diagnose. «Wir hatten diese Neuigkeit kaum verdaut, da passierte ein schlimmer Unfall.»
Krebsdiagnose und Hund überfahren
Ihre geliebte Hündin Blue (†5), die eigentlich aufs Wort gehorcht habe, sei bei einem Spaziergang plötzlich verschwunden. «Dann hat die Polizei angerufen und uns informiert, dass sie von einem Mercedes tödlich getroffen worden sei», so Daniela S. weiter. «Das hat mir fast den Boden unter den Füssen weggezogen. Ich habe mir derart Vorwürfe gemacht!» Sie seufzt und hält sich den Kopf mit den Händen, denn die tragische Geschichte ist noch lange nicht zu Ende.
«Im August war ich beim Frauenarzt in der Jahreskontrolle, und es wurde auch bei mir Brustkrebs festgestellt», sagt sie. «Da es meiner Mutter zu dem Zeitpunkt schon sehr schlecht ging, wollte ich sie mit meiner Diagnose nicht zusätzlich belasten.» So habe sie geschwiegen, erzählt die MS-Patientin weiter: «Doch ich bin daran fast zerbrochen. Als Einzelkind habe ich eigentlich immer alles mit meiner Mutter geteilt.»
Der Tod der Mutter
Anfang Oktober wurde der bösartige Tumor schliesslich bei einem Eingriff entfernt. «Ich hatte mich noch kaum von der Operation erholt, als dann am 16. Oktober meine Mutter mit nur 74 Jahren verstarb. Das war für mich ein absoluter Tiefpunkt», erinnert sich die Bernerin traurig. «Ich konnte fast nicht mehr wahrhaben, was für schlimme Dinge mir in so kurzer Zeit passiert sind.»
Nach diesen schweren Monaten sei die vom Schicksal geplagte Tierliebhaberin, die nebst einem Hund und vier Katzen auch Schafe und Ziegen hält, dann nicht wirklich in Weihnachtsstimmung gekommen. «Als Krönung dieses Horror-Jahres ist am 26. Dezember dann noch mein liebster Geissbock in meinen Armen gestorben», berichtet sie. Doch Daniela S. ist eine Kämpferin. «Dank meinem Lebenspartner, meiner Tante und meinen Freunden habe ich diese schwere Zeit irgendwie überstanden. Ich habe mir gesagt, irgendwann wird es wieder besser.»
Ein Hoffnungsschimmer — und ein Rückschlag
Und tatsächlich: Im Herbst 2021 folgte endlich der lang ersehnte Lichtblick. «Wir haben einen Hundewelpen zugesichert bekommen», erzählt sie strahlend. «Zwar musste mir das Schicksal dann noch einmal kurz einen Streich spielen, und ich habe mir kurz vor dem Einzug von Shelby bei einem Sturz beim Staubsaugen noch zwei Zehen gebrochen.»
Mitte November durfte der Mini-Aussie dann aber bei der chronisch kranken Frau einziehen. Glücklich kaut sie beim Besuch von Blick auf einem Hundespielzeug herum, lässt ihr Frauchen dabei aber nie aus dem Blick – und so soll es auch sein.
Happy End in Sicht!
Denn aus dem verspielten Welpen soll in einigen Jahren ein Servicehund werden. «Sie soll mir beispielsweise Socken aufheben können», erklärt Daniela S. und krault ihr «Baby» glücklich. Als Dank leckt die kleine Shelby ihr einmal quer über das Gesicht.
Daniela S. kann ihr Glück kaum fassen und hofft nun inständig, dass es nicht wieder zerstört wird: «Es ist gerade wie dreimal Weihnachten zusammen, Shelby ist einfach perfekt! Und diese schwierige Zeit hat mir gezeigt: Egal, wie schlimm es gerade ist, es lohnt sich immer weiterzumachen. Je mehr es mich runterdrückt, desto mehr kämpfe ich!»
* Name bekannt