Erst wird der junge Mann mit einem Tritt in den Bauch zu Boden gerungen, dann kniet sich ein Polizist auf seinen Hals und lässt nicht ab. Der Dunkelhäutige hat keine Chance. Journalisten der «Berner Zeitung» und vom «Bund» werden am Freitag am Berner Bahnhof Zeugen eines rabiaten Polizei-Einsatzes.
Die Bilder der Brutalo-Verhaftung schockieren. Denn sie erinnern an den Tod von George Floyd (†46) im Mai 2020. Fast neun Minuten lang kniete der Polizist Derek Chauvin (45) auf dem Afroamerikaner, der keine Luft bekam und am Ende starb. Dafür wurde der Killer-Cop verurteilt. Das Strafmass ist noch nicht bekannt.
Aber was war überhaupt letzten Freitag in Bern passiert? Und wieso griff die Polizei mit dieser Härte ein?
Die Aussagen der Journalisten und der Polizei gehen auseinander. Laut der Reporter habe die Kantonspolizei Bern einen Dunkelhäutigen kontrollieren wollen. Als dieser sich wehrte, weil die Beamten ihn mit auf die Wache nehmen wollten, kam es zu einem Handgemenge.
Mit einem Tritt in den Bauch gelang es den Polizisten den Mann zu Fall zu bringen und als er am Boden lag, habe der Beamte sein rechtes Knie auf seinen Hals gepresst. Bei dem rabiaten Einsatz sei der Mann am Kopf verletzt worden und soll eine blutige Wunde über einem Auge davongetragen haben.
Mann hatte Drogen bei sich
Die Kantonspolizei schildert den Vorfall einen Tag später folgendermassen. Den beiden Beamten sei am Morgen ein junger Mann aufgefallen, der sich in der Nähe des Bahnhofes kaum auf den Beinen halten konnte. Zudem habe er verschiedene Verletzungen am Körper gehabt. Also wollten die Polizisten eine Personenkontrolle durchführen. Der Mann hätte keinen Ausweis bei sich gehabt. Stattdessen aber eine Tüte mit weissem Pulver. Drogenverdacht! Und da er nur Italienisch sprach, habe man ihn für weitere Abklärungen auf die Wache mitnehmen wollen.
Doch der Mann habe nicht freiwillig in den Wagen der Polizisten steigen wollen und habe sich gewehrt. Das Problem: Die Beamten wollte ihm zuvor Handschellen anlegen. Weil sich der Mann dann aber wehrte, konnten sie die Handschellen nur an einem Gelenk festmachen. Eine gefährliche Situation für die Polizisten, laut der Kantonspolizei. «Für alle Beteiligten kann es gefährlich werden, wenn jemand mit einer offenen Handschelle am Handgelenk anfängt, herumzufuchteln», heisst es in der Stellungnahme zur «Berner Zeitung».
Solche Massnahmen können «brutal wirken»
Aus Sicherheitsgründen hätten sich die Beamten entschieden, den Mann zu Boden zu bringen. Aber warum das Knie? Der Polizist habe sich bei dem Einsatz an der Hand verletzt und musste daher sein Bein für die Fixierung einsetzen. Ausserdem betont die Kantonspolizei in ihrer Stellungnahme, dass bei einer solchen Fixierung das Knie nicht auf dem Hals, sondern im Bereich der Schultern und des Kopfes gedrückt wird.
Aber natürlich könne bei einem Einsatz das Knie auch mal verrutschen. Zudem würden solche Massnahmen «immer hart» aussehen oder «gar brutal wirken.»
Immerhin: Etwas Selbstkritik gesteht die Polizei ein. «Das Einsteigen ins Patrouillenfahrzeug verlief nicht wie geplant, da der Mann zu Fall kam und durch Einsatzkräfte nicht rechtzeitig aufgefangen werden konnte.»
Der Verhaftete halte sich übrigens illegal in der Schweiz auf, teilt die Polizei mit. Wegen seiner Verletzungen wird er behandelt. Auch der Polizist musste nach dem Einsatz in Behandlung und kann seinen Dienst für mehrere Wochen nicht antreten.
Inzwischen hat sich die Staatsanwaltschaft eingeschaltet und ermittelt, wie «20 Minuten berichtet». (jmh)