Weiss lackierte, helle holzige und dunkelbraune Särge füllen die Kühlräume des Krematoriums in Langenthal BE bis auf den letzten Platz. Auf einigen prangt ein Zettel mit der Aufschrift «Covid». Der Anblick der Särge und die kalte Luft lassen einen förmlich erstarren.
Im Herzstück des Krematoriums ist es hingegen warm – der Ofen läuft auf Hochtouren, die Angestellten rotieren. Ständig klingelt das Telefon, oder es gilt, technische Probleme zu lösen. Vor dem Eingang des Krematoriums, also mitten auf dem Friedhof, steht im Schneeregen ein brummender Leichen-Kühlcontainer. Davor ist ein weisser Sichtschutz aufgebaut.
Leichen im Kühlcontainer
«Seit Dezember decken wir für fünf Monate auch die Region Solothurn ab, da dort umgebaut wird. Deswegen hatten wir diesen Container vorsorglich bestellt», erklärt Luis Gómez (50), Vorsteher des Amtes für öffentliche Sicherheit der Stadt Langenthal. Dann sei die Übersterblichkeit unter anderem wegen der Corona-Pandemie dazugekommen und der grosse Kühlcontainer unabdingbar geworden.
«Im Container werden aber nur die Verstorbenen eingelagert, von denen wir das Einverständnis des Bestatters haben – und er wird nur im Notfall genutzt», so der Amtsvorsteher. Und: «Verstorbene, von denen noch jemand Abschied nehmen möchte, sind weiterhin in den Aufbahrungsräumen.» Aber auch im Container seien die Leichname natürlich würdevoll eingelagert: Sie würden nicht etwa in schwarzen Säcken aufeinander gestapelt, sondern wie im normalen Kühlraum in Särgen aufgereiht.
«So etwas habe ich noch nie erlebt»
Doch nicht nur die Logistik ist am Anschlag, auch die Mitarbeiter schuften schwer. Als sich die Situation Ende Jahr zuspitzte, wurde der Betrieb hochgefahren. Seit einigen Wochen arbeitet das Personal im Schichtbetrieb – sieben Tage die Woche, auch während der Festtage. Zudem wurden zusätzliche Mitarbeiter engagiert. Dies auch für den Fall, dass plötzlich jemand in Quarantäne müsste.
Priska Fuhrer (54) ist seit etwa acht Jahren Kremationswartin in Langenthal, sie sagt: «So etwas habe ich noch nie erlebt. Wirklich nicht.» Derzeit ist sie meistens in der Spätschicht eingeteilt und fängt am Mittag an, Feierabend gibt es jeweils zu später Stunde. «Manchmal wird es 20 Uhr, manchmal auch 22 Uhr. Je nachdem, wie die Kremationen laufen», erklärt sie.
«Die Skeptiker habe ich auf der Latte»
Der Gedanke an einen Kaffee zur Stärkung komme ihr in diesen Tagen zwar oft – Zeit gebe es aber kaum dafür: «Und bis wir dazu kommen, ist er meistens auch schon wieder erkaltet.» Genügend Schlaf und viel trinken, so lautet das Geheimrezept der Bernerin für die stressigen Wochen.
Während sie sich zum Eigenschutz eher von den Corona-Diskussionen fernhält, ärgert sich ihr Arbeitskollege Stefan Oberli (54) offen über Corona-Leugner. «Die Skeptiker habe ich auf der Latte. Die sollten mal hier zu uns ins Krematorium kommen und sich die Lage ansehen», so der Kremationswart, dessen Arbeitstag meist um 4 Uhr früh beginnt.
Mehr als doppelt so viele Tote in Langenthal
Die Situation sieht auch in Zahlen dramatisch aus, Oberli kennt alle Daten auswendig: «In einem normalen Jahr kremieren wir in Langenthal im Dezember etwa 110 bis 130 Personen, im letzten Jahr waren es mit 293 mehr als doppelt so viele.» Er atmet tief durch: «33 Prozent davon waren Covid-Tote.»
In Anbetracht dieser Horror-Zahlen kann der Angestellte kaum begreifen, dass die Massnahmen nicht besser eingehalten werden: «Gerade ältere Personen, die sich schützen müssten, sehe ich so oft ohne Maske über den Friedhof spazieren.» Er mahnt: «Das ist momentan einfach fehl am Platz!»