Türkei und Peru zählen zu wenige Corona-Opfer, Belgien zu viele
Nicht nur die Schweiz hat Mühe mit den Toten

Wie viele Tote fordert Covid-19 tatsächlich? Eine Antwort auf die Frage ist schwer. Jedes Land hat eigene Statistiken und Kriterien – und Fehlerraten. Auch die Schweiz.
Publiziert: 04.01.2021 um 01:28 Uhr
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Aktualisiert: 06.01.2021 um 19:59 Uhr
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Massensegen in einer Kirche im norditalienischen Seriate, eine der von Corona am stärksten betroffenen Gemeinden der Provinz Bergamo.
Foto: keystone-sda.ch
Myrte Müller und Marco Latzer

Der Todesfall eines jungen Zürchers (†29) hat über Neujahr für Kontroversen gesorgt. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) zählt ihn als Corona-Toten, obwohl der Kanton Zürich dementiert. Aufgrund des ärztlichen Befunds könne ausgeschlossen werden, dass Covid-19 die Todesursache war, so ein Sprecher.

Das Problem: Das BAG führt jeden Verstorbenen mit positivem Testresultat als offiziellen Corona-Toten. Völlig unabhängig von der Frage, wie viel Einfluss das Virus auf den Todesfall hatte. Die zumeist von Skeptikern geführte Debatte, ob nun jemand AN oder MIT Corona gestorben ist, erhält damit von amtlicher Seite Zündstoff.

AN oder MIT Corona gestorben?
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AN oder MIT Corona gestorben?BAG befeuert nach Tod von 29-Jährigem Debatte um Statistik

Bestimmung der Todesursache geht ins Geld

Doch nicht nur die Schweiz tut sich beim Zählen der Corona-Opfer schwer. Zwar werden überall Corona-Opfer gezählt und in Statistiken geführt, doch hundertprozentig stimmen können sie nicht.

Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) müssen Corona-Tote einem Grundleiden von Covid-19 erlegen sein. Beispielsweise einer durch das Virus ausgelösten Lungenentzündung. Für eine genaue Todesursache aber braucht es eine Obduktion. Aufwendig, kostspielig, zeitraubend. So erfasst jedes Land seine Toten anders. Hinter Fehlinformationen stecken Missmanagement, mangelnde Ressourcen – oder politisches Kalkül.

Massive Unterschiede bei der Zählweise

In Italien kursiert das Virus schon seit Herbst 2019. Aber erst Ende Februar 2020 wurde es bei «Patient Nummer eins» in der Lombardei offiziell erkannt. Bis dahin waren aber schon Tausende an Corona gestorben, ohne es zu wissen. In Teilen der Provinz Bergamo starben in den Monaten März und April 2020 sechsmal mehr Menschen als üblich. Nicht alle landen in der Corona-Statistik.

In Peru stehen eine enorme Übersterblichkeit während der Pandemie und die Corona-Statistik im krassen Widerspruch. Von den 100 Prozent der mehr als üblich verstorbenen Personen werden nur 16 Prozent als Corona-Opfer geführt. Der grosse Rest wurde schlicht nicht getestet.

Belgien rechnet auch Verdachtsfälle in die Statistik

Radikal anders verfährt Belgien: Die Behörden rechnen auch Verdachtsfälle als Coronavirus-Tote in ihre Statistik mit ein – selbst wenn eine Ansteckung der Verstorbenen nicht nachgewiesen wurde. Mehr als die Hälfte der rund 19'650 belgischen Corona-Toten soll in Pflegeeinrichtungen gelebt haben. Genau dies Fälle wurden derweil in England bis zum Frühjahr ignoriert und stattdessen nur hospitalisierte Tote gezählt.

Die Türkei trickste lange bei den Corona-Zahlen. 2000 bis 3000 Fälle täglich gab die Regierung bekannt – immer rund 100 Tote. Landesweit. Erst als die Friedhöfe von Istanbul allein täglich 450 Tote bestatten mussten und die Ärztekammer rund 50'000 Neuinfektionen am Tag meldete, krebste die Regierung zurück.

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