«Halt, Stopp, diese Strasse ist gesperrt», sagt der Mann vom Zivilschutz. Alle Eingänge zum betroffenen Quartier in Brienz BE werden auch eine Woche nach dem verheerenden Unwetter noch immer bewacht. Es gilt weiterhin als Sperrzone. Mitten in dieser Sperrzone liegt der Friedhof Brienz. Die Flutwelle hat auch ihn teilweise zerstört.
Auf Bildern aus der Luft ist das Ausmass der Zerstörung deutlich sichtbar. Zutritt hatten bis jetzt nur Mitarbeitende der Gemeinde oder des Kantons. Aus gutem Grund, denn wie Blick vor Ort erfährt, treffe man im Innern des Friedhofs auf «ein Bild des Grauens». Sogar Knochen würden aus der Erde ragen.
Grösste forensische Aufgabe aller Zeiten
Der Friedhof wurde mit einem Sichtschutz umzäunt. In einer Mitteilung schreibt der Begräbnisbezirk Brienz: «Es ist uns bewusst, dass der Friedhof ein sehr sensibler Bereich ist. Wir setzen alles daran, die Aufräum- und Wiederaufbauarbeiten sobald als möglich aufzunehmen und diese mit äusserster Sorgfalt durchzuführen.»
Die Gemeinde steht vor einer schwierigen Aufgabe. Jeder Knochen identifizieren, damit dieser wieder ins richtige Grab zurückkommt, wäre ein immenser forensischer Aufwand. Laut Blick-Recherchen könnte dies zur grössten forensischen Aufgabe der Geschichte des Kantons Bern werden. Wie viele Gräber betroffen sind, dazu macht das regionale Führungsorgan Oberer Brienzersee (RFO) keine Angaben. Vom RFO bis zum Regierungsrat will zurzeit niemand Stellung zum Thema nehmen.
Zerstörter Friedhof beschäftigt Anwohnende
Schwierige Zeiten für die Brienzerinnen und Brienzer. Auch sie fragen sich, was auf dem Friedhof genau los ist – und tappen zurzeit im Dunkeln. Die meisten haben Familienangehörige oder Freunde auf dem Friedhof begraben. «Mein Vater wurde erst vor acht Jahren auf dem Friedhof begraben. Ich mache mir Sorgen, wie es zurzeit um sein Grab steht», sagt eine Anwohnerin.
Im Dorf ist der Friedhof deshalb ein heiss diskutiertes Thema. Nicht alle sind gleicher Meinung, wie man mit den zerstörten Gräbern weiterverfahren soll.
«Jeden Knochen zu identifizieren, wäre übertrieben»
Einer älteren Dame, deren Mann auf dem Friedhof liegt, macht die Situation körperlich zu schaffen. «Ich habe schlaflose Nächte, meine Gedanken kreisen ständig um die Folgen des Unwetters», sagt sie zu Blick. Sie würde sich wünschen, dass die Gemeinde die Gräber wieder sortiert und herrichtet.
Anders sieht dies Anwohner Bruno Schild (72): «Jeden einzelnen Knochen zu identifizieren und zu ordnen, wäre übertrieben». Auf dem betroffenen Friedhof fanden auch seine Grosseltern, Tanten und Freunde ihre letzte Ruhe. Er fügt an: «Auch meine Eltern sind dort, dieser Grabstein ist nicht mehr da.»