Im roten Hoodie, mit grauen Trainerhosen und in Handschellen erscheint Didinga E.* (33) am Montag im Regionalgericht in Biel BE. Begleitet wird der Eritreer von zwei Polizisten. Brav wie ein Lamm sitzt er da. Dabei waren nicht einmal Schafe vor ihm sicher. In der Anklageschrift ist von einem Vergewaltigungsversuch bis hin zu Sex mit Tieren, diversen Diebestouren, Drogenkonsum, Schwarzfahren und Bedrohung von Beamten die Rede – nichts war vor ihm sicher.
Selbst sein Verteidiger Rolf Rätz (54) war schockiert über das Verhalten seines Mandanten: «So etwas habe ich in 25 Jahren nicht erlebt.» Die Staatsanwältin Verena Jezler (35) beschrieb die Szene in ihrem Plädoyer: «Er hat in einer Befragung gedroht, den Tisch auf die Staatsanwältin zu werfen, sie zu bespucken, den Übersetzer umzubringen und mit ihm Analverkehr zu vollziehen.»
Versuchte Vergewaltigung auf Trampelpfad
Der schwerwiegendste Vorwurf: Didinga E. wollte laut Anklage im März 2020 in Brügg BE eine unbekannte Frau vergewaltigen. Die zierliche Frau erinnert sich im Gerichtssaal: «Ich habe eine Abkürzung über einen Trampelpfad genommen, und plötzlich stand der Täter hinter mir. Er sagte, er müsse Sex haben mit mir.»
Sie will dem Afrikaner deutlich zu verstehen gegeben haben, dass er abhauen solle – sie rufe jetzt die Polizei. Doch er sei schneller gewesen als sie und habe seine Hose geöffnet: «Dann habe ich laut geschrien, und er hat von mir abgelassen.»
Zum Sex in Stall geschlichen
Der Angeklagte, der erst seit 2015 in der Schweiz lebt, gesteht den Übergriff und verteidigt sich: «Vom Gesichtsausdruck her habe ich nicht gesehen, dass sie das nicht möchte.» Dennoch entschuldigt er sich bei seinem Opfer.
Doch damit nicht genug. Didinga E. soll angeblich zwischen Februar und März des letzten Jahres gleich sechs Mal in einen Stall eingedrungen und zwei Schafe immer wieder sexuell misshandelt haben. Während seiner nächtlichen Besuche habe er laut der Staatsanwaltschaft auch einiges zerstört und geklaut.
Drogen-Cocktails und Wodka
Und: Als der mutmassliche Tierquäler der Polizei ins Netz ging, habe er die Einsatzkräfte mit einem Küchenmesser bedroht. Erst als diese die Pistolen gezückt hätten, habe er seine Waffe fallen gelassen. Er selbst streitet das ab.
Die grosse Frage: War der vorbestrafte Flüchtling zum Tatzeitpunkt schuldfähig? Didinga E. will damals wilde Drogen-Cocktails sowie täglich Wodka konsumiert haben. Ein Gutachter attestierte ihm eine «schizoaffektive Störung».
Sein Verteidiger will daher einen Freispruch – der Mann gehöre lediglich in eine ambulante Therapie. Das sieht die Staatsanwältin anders: Nicht bei allen, aber bei einigen Delikten habe er gewusst, dass er Unrecht tue. 18 Monate Knast und eine stationäre Massnahme seien angemessen. Zudem will sie einen Landesverweis von acht Jahren. Das Urteil fällt am Mittwoch.
* Name geändert