Lammfromm sitzt Didinga E.* (33) am Mittwoch bei der Urteilsverkündung am Regionalgericht Berner Jura-Seeland in Biel BE auf seinem Stuhl. Dass er die Staatsanwältin früher im Verfahren übel beschimpft und dem Übersetzer sogar mit dem Tod gedroht haben soll, davon spürt man hier nichts.
Die Strafakte des Eritreers ist endlos: versuchte Vergewaltigung, sexuelle Handlungen mit Schafen, Diebstahl, Drohung gegen Polizisten sowie Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrs- und Betäubungsmittelgesetz.
«Schuldunfähig» bei der Schändung der Schafe
Das Urteil der Richter: Der Afrikaner muss 20 Monate in den Knast. Auch eine stationäre Massnahme sowie ein Landesverweis von acht Jahren werden angeordnet. Lediglich einen Freispruch gibt es: Zum Zeitpunkt der Delikte im Tiergehege sei der Beschuldigte «schuldunfähig» gewesen. Ob er bei diesen Untaten aber wirklich nicht ganz bei Sinnen war, ist für Hobby-Züchter Viktor Schor (68) mehr als fragwürdig. Er habe drei Monate bei seinen Tieren übernachtet, aber den Unhold dabei nie erwischt: «Egal, wann ich auf meinen Posten gegangen bin, er kam vorher oder nachher – oder gar nicht.» Er vermutet daher, dass der Übeltäter ihn jeweils beobachtet hatte – und klarer im Kopf war, als nun geurteilt wird.
Bei der versuchten Vergewaltigung – der Eritreer folgte laut Anklage einer älteren Dame in den Wald und belästigte sie – geht das Gericht wiederum nur von einer «mittelgradigen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit» aus.
Eritrea nimmt Staatsbürger nicht zurück
Unter anderem wegen dieses Anklagepunktes kassiert der aufgenommene Flüchtling auch den Landesverweis. Bei versuchter Vergewaltigung handelt es sich nämlich um eine sogenannte Katalog-Tat. «Aber das kümmert ihn jetzt noch nicht gross», so Verteidiger Rolf Rätz (54) zu Blick. Denn: «Der Entscheid kann ja bei Eritreern nicht vollzogen werden.»
Tatsächlich: Der Landesverweis im Fall Didinga E. ist nicht mehr als ein Wort. Das weiss auch Alberto Achermann (60), Professor für Migrationsrecht an der Universität in Bern. Er erklärt: «Wenn er wieder freikommt, wird man ihn auffordern, das Land zu verlassen.» Doch diese Frist könne der Afrikaner verstreichen lassen, denn eine Ausschaffung unter Zwang käme hier nicht in Frage. «Eritrea ist eines der Länder, die keine Staatsbürger zurücknehmen wollen», so der Experte.
Auch Anrecht auf Sozialhilfe
Eine weitere Hürde: Der junge Mann ist laut dem Gerichtspräsidenten in der Schweiz als Flüchtling anerkannt worden. «Dies bedeutet, dass die Schweiz ihm damit zugestanden hat, dass er aus irgendeinem Grund nicht in seine Heimat zurückreisen kann. Gründe dafür könnten beispielsweise sein, dass er dort verfolgt oder gefoltert würde», so der Professor.
Heisst: Der Straftäter kann wahrscheinlich nach seiner Haft trotz Landesverweis bleiben und würde sich laut Achermann damit in einer Art rechtlicher «Grauzone» bewegen.
Doch damit nicht genug: «Ein Flüchtling mit Landesverweis, der in der Schweiz bleibt, darf laut Gesetz einer Arbeit nachgehen und hat Anspruch auf Sozialhilfe. Das hat das Parlament so beschlossen.»
* Name geändert